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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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weit entfernt davon, eifersüchtig oder argwöhnisch zu sein. Er hatte unbegrenztes und blindes Vertrauen in seine junge Gattin.
    Im Herbst jedoch geschah ein Missgeschick, das Bess heute beinahe lachhaft erschien, das aber umgehend zur Katastrophe führte. Während Elizabeth und Albrecht unter der Treppe ihrem Liebesspiel nachgingen und dabei geräuschvoll dem Höhepunkt entgegenstrebten, erschien Matthew im Chorraum am östlichen Ende des Kirchenschiffes, um Kerzen für die Vesperandacht zu bringen. Ähnliches war zwar schon häufiger vorgekommen, aber nicht ein einziges Mal war er auf das Liebespaar in der Kammer aufmerksam geworden, weil Elizabeth und Albrecht stets abrupt in ihrem Tun innegehalten hatten. Dieses Mal jedoch lag Albrecht so ungünstig auf Elizabeth, dass er einen Krampf im Oberschenkel bekam. Beim Versuch, eine weniger verfängliche Position zu finden, verhedderte sich Albrechts Schuhwerk in Elizabeths Unterkleid. Der Krampf wurde noch schmerzhafter, und mit einem verzweifelten Fußtritt befreite sich Albrecht aus der peinlichen Lage. Dummerweise stieß er dabei gegen das Klappbrett in der Nische. Das Brett, das auf der Kirchenseite durch einen Holzriegel versperrt war, riss aus der Verankerung und kippte gegen den Taufstein, auf dem wiederum ein Messingdeckel ins Wanken geriet und scheppernd zu Boden fiel. Elizabeth spürte, wie ihr im selben Augenblick vor Entsetzen das Blut gefror.
    Als Matthew sich der Taufnische bis auf wenige Schritte genähert hatte, um nach dem Rechten zu sehen, hockte Albrecht zwar nicht mehr mit heruntergelassener Hose auf Elizabeth, und auch sie hatte ihre Kleider einigermaßen gerichtet, doch die Situation war dennoch unverkennbar. Überrascht stieß Matthew einen ungläubigen Entsetzenslaut aus, ließ die Kerzen fallen, fasste sich an den Mund, als müsste er sich übergeben, und rannte davon.
    Elizabeth war so schockiert, dass sie mit gespreizten Beinen auf dem Boden saß, das Gesicht in den Händen vergrub und nur fassungslos mit dem Kopf schütteln konnte. Noch entsetzter war sie jedoch, als sie Albrecht hilfesuchend anschaute und dieser ihren flehentlichen Blick mit einem albernen und völlig unangemessenen Lachen beantwortete.
    Er kroch durch die Öffnung ins Kirchenschiff, klopfte sich den Staub von den Kleidern und rief: »Jemine!« Dann lachte er wieder wie über einen harmlosen Scherz. Als wären sie kleine Kinder, die gerade beim Kirschenklauen ertappt worden waren.
    Im selben Moment erkannte Elizabeth, dass auf Albrecht Niemeyer kein Verlass sein würde, dass er alles nur als belangloses Spiel und eitles, ja selbstverliebtes Vergnügen betrachtet hatte. Das Schlimmste aber war die Erkenntnis, dass es ihr ganz ähnlich ergangen war. Auch sie hatte nur an ihr Begehren, aber nicht einen Augenblick lang an die möglichen Konsequenzen ihres schändlichen Handelns gedacht. Und dafür würde sie nun büßen müssen.
    Als Elizabeth nach geraumer Zeit, in der sie sich weder nach Cannons House noch nach Hause getraut hatte, im Cottage erschien, saß Matthew in der Stube und schaute sie nicht etwa wutverzerrt oder vorwurfsvoll, sondern lediglich maßlos traurig und enttäuscht an. Elizabeth warf sich ihm vor die Füße, blieb in hockender Stellung auf dem Boden und beichtete unter Tränen alles, was sich in den letzten Monaten zugetragen hatte. Sie ging hart mit sich selbst ins Gericht, beschönigte nichts, suchte nicht nach Ausflüchten oder Schuldzuweisungen und bat ihren Mann schluchzend um Verzeihung.
    Statt einer Antwort stand Matthew wortlos auf, nahm seine Joppe vom Haken, ging zur Tür und sagte: »Geh zu Bett, Elizabeth! Ich werde das in Ordnung bringen.« Dann stiefelte er hinaus in die Nacht.
    Zwei Stunden später wurde seine Leiche gefunden. In einem Stall unweit des Gasthofs in Little Stanmore, wo Albrecht Niemeyer und die anderen Musiker untergebracht waren. Er hatte eine Kugel im Schädel und hielt eine Pistole in der Hand, an der sich deutliche Pulver- und Schmauchspuren fanden.
    Bei der gerichtlichen Untersuchung durch den Coroner wurde festgestellt, dass die Waffe dem Musiker Albrecht Niemeyer gehörte. Dieser behauptete, Mr. Lyon habe ihn in seinem Zimmer aufgesucht, aufs Gröbste beschimpft und tätlich angegriffen, woraufhin Mr. Niemeyer die Pistole gezogen habe, um den Angreifer in Schach zu halten. Mr. Lyon habe jedoch dem Musiker die Pistole aus der Hand gerissen und sei mit dieser davongerannt. Anschließend habe er sich dem Anschein nach

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