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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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halbwegs passabel, wie ich fand.

    Die Stimme am anderen Ende vertrieb meine Müdigkeit wirkungsvoller
als zehn Tassen Kaffee. Kollege Seybold polterte in mein Ohr: »Liegen Sie etwa
noch im Bett?!«

    Â»Guten Morgen.«

    Â»Ja, ja, guten Morgen. Mann, Sie haben vielleicht Nerven.
Ich habe schon versucht, Sie im Präsidium zu erreichen. Und Ihr Handy haben Sie
auch abgeschaltet.«

    Mit voller Absicht. Es war Samstag und immerhin war ich
am Abend nur mit dem Leben davongekommen, weil der Serienmörder auf Messer
spezialisiert war und nicht auf Pistolen. Ich setzte mich auf und fragte mich,
wie man um acht Uhr am Morgen schon so hektisch sein konnte, selbst als
Westfale. »Was gibt es denn?«

    Â»Was es gibt? Wir haben hier eine Leiche. Martin Pracht.
Sie wissen schon. Österreich-Ungarn. Erstochen.«

    Das war natürlich ein Grund. Ich merkte, dass mein Mund
offen stand, obwohl ich nicht gähnen musste.

    Â»Sind Sie noch da oder sind Sie wieder eingeschlafen?«

    Trotz Pyjama war ich sofort im Dienst. »Wann ist das
passiert?«

    Â»In dieser Nacht, zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht.
Die Wunde ist identisch mit der Ihrer Leiche. Sogar der Tatort. Wir haben Pracht
auf dem Bauch liegend in seinem Wohnzimmer gefunden.«

    Â»Unglaublich«, sagte ich, während ich zum Kleiderschrank ging.
Wir würden innerhalb von drei Stunden wieder in Münster sein und deutlich länger
bleiben, deshalb begann ich gleich damit, mir Kleidung für zwei Tage herauszusuchen.
Außerdem nahm ich meinen Trolley vom Schrank herunter. »Wir werden spätestens
um elf Uhr bei Ihnen sein.«

    Es kam kein Widerspruch. »Sehr gut. Mein Gott, Wegener,
hätte ich doch auf Sie gehört. Aber jetzt kaufen wir uns das Arschloch, darauf
können Sie Gift nehmen.«

    Das Gespräch endete. Hatte Kommissar Seybold vielleicht
gerade einen Fehler eingeräumt? Eine Entschuldigung angedeutet? Das war eine
seltsame Vorstellung.

    Ich dachte an den schüchternen und bescheidenen Martin Pracht.
Und an Elias Grams. Ich packte die Kleidung in meinen Trolley, dann nahm ich
meinen Kulturbeutel und ging ins Badezimmer. Als ich mir die Zähne putzte,
klingelte das Telefon wieder. Für einen Moment fragte ich mich, ob der Samstag
vielleicht mit zwei Leichen beginnen würde.

    Es war Reinhold. »Guten Morgen, Markus. Ich hoffe, du
hast den gestrigen Tag gut weggesteckt?«

    Â»Ja, danke.« Und es stimmte tatsächlich. Meine Nervosität
schrieb ich der Nachricht aus Münster zu.

    Â»Das ist schön. Hör mal, hier hat ein Kollege aus Münster
angerufen. Ein Hauptkommissar Seybold. Er hat ganz schön Wind gemacht. Er will
dich noch zu Hause anrufen.«

    Â»Hat er schon.«

    Â»Oh. Na, dann weißt du ja schon Bescheid. Dort gibt es
eine Leiche, die zu unserer hier passt.«

    Â»Ich stehe gerade im Badezimmer. Sobald ich fertig bin,
rufe ich Nina an und wir fahren nach Münster.«

    Â»Sehr gut. Ich werde Egon benachrichtigen. Wir werden uns
zwar weiter um die Lehrerin kümmern, aber das erscheint doch jetzt alles in
einem anderen Licht.«

    Â»Du kannst ruhig sagen, dass ich recht hatte mit meiner
Vermutung.«

    Â»Nicht, dass du mir noch abhebst«, sagte Reinhold.

    Â»Zu spät. Ich werde der nächste Polizeipräsident. Sei immer
schön nett zu mir.«

    Â»Gib Bescheid, wenn wir hier etwas tun können«, sagte
Reinhold und wünschte mir viel Glück.

    Ich ging wieder zurück zu meiner Zahnbürste. Während ich
mich den unteren Zähnen zuwandte, schweiften meine Gedanken schon nach Münster
ab. Ein plötzlicher stechender Schmerz durchzuckte mich wie ein Blitz und holte
mich wieder ins Badezimmer zurück. Ich stöhnte auf, doch der Schmerz war schon
vorüber, bevor ich meine Hand an meine Wange heben konnte. Misstrauisch öffnete
ich meinen Mund, aber alle Zähne waren noch an ihrem Platz.

    Samstagmorgen, mitten in einer Mordermittlung auf dem
Sprung nach Münster war nicht unbedingt der ideale Zeitpunkt, wenn man eine
schnelle und professionelle Zahnbehandlung benötigte. Ich machte weiter mit dem
Putzen, erst behutsam, dann normal, ohne dass der Schmerz zurückkehrte. Aber
für Illusionen, das Problem sei damit gelöst, war der Schmerz zu intensiv
gewesen.

    Ich zog mich aus und stand bereits mit einem Fuß in der
Dusche, als wieder das Telefon klingelte. Ich betrieb keinen

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