Gegen jede Regel
Kein
Hinweis auf einen Einbruch. Pracht hat den Täter gekannt, und ihm vertraut. Er
hat ihn ins Haus gelassen und ihm den Rücken zugedreht.«
»Wie Tobias.«
»Ganz genau. Wir haben in der Zwischenzeit einen Kenner
dieses Spiels ausfindig gemacht und ihn dazu befragt. Er hat Ihre Theorie
bestätigt. Es gibt nur einen Spieler in der Partie, der Grund hatte, sowohl
über Ihr Opfer als auch über Martin Pracht verärgert zu sein.«
Zumindest das wussten wir also nun alle. »Und jetzt?«,
fragte ich.
»Jetzt«, sagte Seybold grimmig, »lade ich Sie ein, mit in
unser Präsidium zu fahren. Dort steht uns Elias Grams in unserem schönsten Verhörraum
zur Verfügung.«
Die Art und Weise, wie er das sagte, erzeugte bei mir ein
ähnliches Bedauern für Herrn Grams, wie ich es zuvor für Elisabeth Veen
verspürt hatte.
Auf dem Weg nach drauÃen hielt Seybold kurz bei einem
Kollegen an. »Immer noch nichts von der Ehefrau des Opfers?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Wir probieren es auch bei
den Kindern. Bisher ohne Erfolg.«
Ich sagte: »Die Frau ist auf einem Ausflug mit ihrer
Chorgruppe.«
Seybold schaute erst mich an, dann seinen Kollegen und
sagte: »Sie haben den Mann gehört. Prüfen Sie das.«
Wir machten uns auf den Weg ins Präsidium. Der Polizist
in der Einfahrt gab den Weg für uns frei.
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Es war schwer zu sagen, ob Gramsâ gebeugte
Haltung, die dunklen Augenringe oder der leere Blick davon herrührten, dass er
in einem Verhörraum der Polizei saà oder dass er sich eines Mordes schuldig
gemacht hatte. Er lieà die Belehrung über seine Rechte ohne erkennbare Reaktion
über sich ergehen. Der Malermeister war mir aber auch von unserem Gespräch von
Donnerstag nicht gerade als Energiebündel mit sonniger Ausstrahlung in
Erinnerung geblieben.
Kollege Seybold hatte mich mit zur Befragung genommen. Und
sogar sein Vorgesetzter Julius Kleemann war anwesend. Ich entschied, dass meine
Rolle hier im Zuhören und Beobachten bestand, und stellte mich unauffällig in
eine Ecke. Nina beobachtete uns durch den Spiegel.
Elias Grams verlangte auch auf Nachfrage keinen wie auch
immer gearteten Beistand, deshalb eröffnete Seybold unmittelbar die Befragung: »Wie
fühlt es sich an, wenn man zwei Menschen ermordet hat, Herr Grams?«
Wenn sich Grams noch einen Rest von Fassung bewahrt
hatte, dann war sie mit dieser Frage zerschmettert. Er starrte Seybold mit
groÃen Augen und offenem Mund an. »Ich verstehe nicht â¦Â«
»Was verstehen Sie nicht?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Sie meinen, Sie haben Martin Pracht nicht ermordet? Und
auch nicht Tobias Maier?«
Herr Grams schüttelte hilflos den Kopf.
»Nun, das werden wir sehen«, sagte Seybold in einem etwas
versöhnlicheren Ton und setzte sich Grams gegenüber an den Tisch. Kleemann lieÃ
sich an der Seite nieder. Es war eine Variante der L-Aufstellung der Schutzpolizei,
bei der ein Polizist mit dem Verdächtigen in Interaktion tritt und der zweite
auf verdächtige Bewegungen achtet, um seinen Kollegen notfalls zu schützen.
»Erzählen Sie uns doch einmal, was Sie gestern Abend
gemacht haben«, sagte Kleemann verbindlich.
»Ich ⦠Aber das habe ich doch schon Ihren Kollegen erzählt«,
antwortete Grams müde.
»Aber uns noch nicht. Wir sind sehr neugierig.«
Kleemann nickte, Grams seufzte. »Ich war zu Hause. Den
ganzen Abend. Ich war am Computer, dann habe ich ferngesehen. Bis ungefähr dreiundzwanzig
Uhr. Dann bin ich ins Bett gegangen.«
Kleemann und Seybold schauten Elias Grams an, als sei
diese Information neu für sie. SchlieÃlich fragte Seybold: »Warum sind Sie
gerade um elf ins Bett gegangen?«
»Weil ich da müde war. Und es kam nichts Interessantes
mehr im Fernsehen.«
»Ich wette mit Ihnen, dass Sie vorher auch schon müde
waren und dass den ganzen Abend nichts Interessantes im Fernsehen kam.«
Das war natürlich ein Totschlagargument. Grams hatte
keine Antwort.
Seybold fragte: »Was haben Sie am Computer gemacht?«
»E-Mails. Und mein Spiel.«
»Ihr Spiel, sagen Sie? Das ist interessant. Sie meinen Dominanz? «
»Ja, genau.«
»Wir haben uns dieses Spiel angeschaut. Und die Partie,
in der Sie spielen. Was ist das doch gleich für eine Partie?«
»Das Halbfinale der
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