Gegen jede Regel
wie die Saite eines englischen Langbogens, und ihn
so schnell an der Decke zu sehen wie einen damit abgeschossenen Pfeil.
Doch anstatt aus der Haut zu fahren oder sonst wie heftig
zu reagieren, gab Grams ein Bild des Jammers ab. Saft- und kraftlos,
zerschlagen, zerstört. Ich nutzte das Essen, um von der Billardkugel in Tobiasâ
Zimmer zu erzählen und den Zusammenhang mit Grams zu erläutern.
»Meine Güte«, sagte Kleemann. »Dieser Tobias hatte es
echt auf ihn abgesehen. Ich meine, es ist doch eine Sache, sich über jemanden
lustig zu machen. Aber da steckte ja wohl ein bisschen mehr dahinter, oder?«
Ich stimmte ihm zu und berichtete von der gefälschten E-Mail.
Kleemann schüttelte den Kopf.
»Er wirkt sehr traurig«, meinte Nina.
»Er hat aufgegeben, weil wir ihn erwischt haben«, sagte
Seybold.
Nina schaute ihn zweifelnd an. »Das glaube ich nicht«,
widersprach sie. »Der Mann ist einfach völlig am Ende. Er hat nichts mehr, wenn
wir ihn überführen können.«
»Sie meinen, nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt?«,
fragte Seybold.
Nina nickte.
»Ein guter Hinweis«, sagte Kleemann. »Wir lassen ihm alle
gefährlichen Gegenstände abnehmen.«
Ich wünschte Grams, dass seine Hose auch ohne Gürtel
hielt. Allerdings kamen auch mir Zweifel, ob er wirklich der richtige Mann war.
Nur hatten wir keinen anderen Verdächtigen.
Seybold sagte: »Er hatte einfach nichts mehr zu verlieren.
Kein Familienvater mit gut laufendem Geschäft würde auf den Gedanken kommen,
einen Menschen umzubringen, weil er ungünstige Züge in einem Gesellschaftsspiel
macht. Aber Grams hatte mit dieser Partie eine ganz besondere Hoffnung
verbunden.«
Wie wir erst gestern erklärt haben, fügte ich in Gedanken
hinzu. Aber ich konnte meinen Münsteraner Kollegen keinen Vorwurf daraus
machen, dass sie nicht auf uns gehört hatten, denn unsere Vermutungen waren
wirklich ein wenig gewagt und zum GroÃteil auf Intuition gegründet gewesen.
»Und jetzt ist auch diese Hoffnung weg«, sagte Kleemann
zustimmend. »Und der Mann hat nichts mehr, was ihn aufrecht hält.«
Wir beendeten das Mittagessen und begaben uns wieder auf
den Weg zum Verhörraum. Auf dem Flur erreichte uns die Nachricht, dass der
Durchsuchungsbefehl für das Haus des Malermeisters eingetroffen war.
»Sehr gut«, sagte Seybold.
Hauptkommissar Kleemann ordnete an, dass alle verfügbaren
Beamten der Spurensicherung sich auf den Weg machen sollten.
Dann begann eine neue Runde mit dem Dominanz- Spieler. Ich verzichtete diesmal darauf, mit in den Raum
zu gehen, und überlieà meinen beiden Kollegen das Feld. Beobachten konnte ich genauso
gut durch den Spiegel.
»Ich hoffe, das Mittagessen hat Ihnen geschmeckt, Herr
Grams«, sagte Seybold, als sie sich wieder an den Tisch setzten. Er spendierte
Wasser in Pappbechern.
Grams wirkte, als habe er wieder etwas Energie gewonnen,
und tatsächlich beantwortete er Seybolds Frage mit einem Nicken. Er nahm vorsichtig
einen Schluck aus seinem Becher, nachdem er beobachtet hatte, wie Kleemann ebenfalls
trank.
»Herr Grams, ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein«, sagte
Seybold. »Bisher haben Sie uns noch nichts geliefert, um unseren Verdacht gegen
Sie zu entkräften. Alles deutet auf Sie als Täter hin.«
Elias Grams saà sehr aufrecht.
»Herr Grams, was werden wir finden, wenn wir jetzt Ihr
Haus durchsuchen?«, fragte Seybold.
»Sie � Was �«, stotterte Herr Grams erschrocken.
Ein schlechtes Gewissen hatte er auf jeden Fall. Die
Frage war nur, ob er ein Mörder war oder einfach nur fürchtete, wir könnten bei
ihm ähnliche Unterhaltungsmedien finden wie bei Tobias und massenweise leere
Bierflaschen obendrein.
Kollege Seybold hatte sich für Ersteres entschieden und
sagte sanft: »Gerade in diesem Moment sind zwanzig unserer besten Kollegen auf
dem Weg zu Ihrem Haus. Sie werden alles finden. Jeden noch so kleinen Hinweis.
Wenn Sie uns also etwas zu sagen haben, dann tun Sie es jetzt, solange wir es
noch nicht selbst herausgefunden haben. Vor Gericht wird man Ihnen das positiv
anrechnen.«
Das war wirklich ein guter Versuch von Seybold, und Kleemann
unterstützte ihn nach Kräften. Aber sie bissen sich an dem Spieler die Zähne
aus wie Egon und Marla an Elisabeth Veen. Und als hätte er nicht nur meine
Gedanken,
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