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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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In welcher
Angelegenheit?«

    Â»Amok«, sagte der Schulleiter.

    Ich hob die Augenbrauen.

    Â»Wir hatten eine Lehrerfortbildung und eine Beratung zu
dem Thema für unser Kollegium.«

    Â»Aha«, sagte ich und nickte. »Herr Stallmann, unser Besuch
heute hat einen unerfreulichen Anlass.«

    Der Schulleiter straffte sich, als erwarte er einen
Schlag.

    Â»Es geht um den Schüler Tobias Maier.«

    Herr Stallmann nickte. »Er ist heute nicht zum Unterricht
erschienen.«

    Ich sagte: »Er ist tot.«

    Manchmal wählte ich diese direkte Methode, wenn ich Todesnachrichten
überbrachte, weil die Reaktionen aufschlussreich waren. Die Mimik des
Schulleiters war zumindest interessant. Stallmann wurde blass, sein Unterkiefer
klappte herunter, sein Mund öffnete sich, aber kein Laut kam heraus. Er
wiederholte die Bewegung mehrmals, bevor er fragte: »Aber wie …?«

    Â»Ich kann Ihnen keine Details nennen, aber wir gehen von
einem Tötungsdelikt aus.«

    Herr Stallmann schwieg und ich hatte den Eindruck, dass
er diese Nachricht erst einmal verarbeiten musste.

    Â»Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen zu Tobias stellen«,
sagte Nina. »Vielleicht haben wir auch die Möglichkeit, mit Tobias’ Lehrern zu reden?«

    Herr Stallmann nickte. Diese konkrete Anforderung half
ihm, wieder zu uns zurückzukehren. »Natürlich!« Er erhob sich hastig und verließ
das Büro. Wir hörten, wie er mit der Sekretärin sprach, dann kam er wieder zurück.
»Ich glaube, Frau Veen müsste noch anwesend sein und Herr Werle ebenfalls. Frau
Veen ist die Lehrerin des Leistungskurses Englisch, in dem Tobias war, und Herr
Werle ist unser Sozialpädagoge. Er hat manchmal vertrauliche Informationen über
unsere Schüler.«

    Nina nickte. »Vielen Dank.«

    Nach einigen Sekunden trug die Sekretärin ein Tablett in
den Raum. Sie baute Tassen, Zucker und Kaffeekanne vor uns auf und wir sahen
ihr schweigend zu. Die Nachricht von Tobias’ Tod würde sich noch schnell genug
verbreiten, auch ohne dass wir die Details vor der Schulsekretärin diskutierten.

    Â»Ah, Elisabeth«, sagte Herr Stallmann plötzlich mit einem
Blick zur Tür, in der eine Frau erschienen war. Die Sekretärin entfernte sich.
Bevor sie die Tür wieder schließen konnte, schlüpfte noch ein Mann herein, der
ebenso wie die Kollegin Elisabeth einen gehetzten Eindruck machte.

    Herr Stallmann sagte: »Darf ich vorstellen: Das ist Elisabeth
Veen, die den Leistungskurs leitet, das ist Georg Werle, unser Sozialpädagoge.«

    Erneutes Händeschütteln. Elisabeth Veen war eine recht
attraktive Frau Anfang vierzig mit schulterlangen schwarzen Haaren und einem
angenehm weichen Gesicht. Herr Werle war einer dieser jugendlichen Typen mit lässiger,
ausgebeulter Kleidung, ein wenig strubbeligem Haar und Vollbart. Ich bin dein
Kumpel, vertraue mir, sagte sein Auftreten. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig.

    Der Schulleiter sekundierte das Händeschütteln mit den
Worten: »Das sind Frau Gerling und Herr Wegener von der Kriminalpolizei. Sie
sind hier, weil …«

    Â»Wir sind hier, weil Ihr Schüler Tobias Maier heute Morgen
tot aufgefunden wurde.« Ich wählte gerne selbst die Formulierung.

    Die Reaktionen waren wiederum interessant. Elisabeth Veen
bekam weiche Knie und sank auf einen Stuhl wie eine feine Dame, der die Sinne
schwinden. Georg Werle ballte die Faust und fluchte unterdrückt.

    Wir setzten uns wieder und ich wartete, ob einer der beiden
uns von sich aus etwas mitteilen wollte. Herr Werle löste seine Faust und
fragte: »Wurde er …? Ich meine …«

    Als ich mir sicher war, dass er nicht konkreter fragen
würde, antwortete ich: »Wir gehen von einem Tötungsdelikt aus.«

    Seine Faust spannte sich wieder, bis die Knöchel weiß wurden.
Der Schulleiter und Frau Veen bemerkten das ebenfalls und schauten ihren
Kollegen mit gerunzelter Stirn an.

    Â»Wenn Sie uns etwas mitteilen möchten …«, sagte Nina
leise.

    Georg Werle rang noch mit sich, dann sagte er: »Ich hatte
so etwas befürchtet.«

    Er erklärte diese Aussage zunächst nicht näher, aber ich
war mir sicher, dass er das gleich tun würde. In dieser Situation war ich froh,
Nina an meiner Seite zu haben, die, genau wie ich, dem Mann einfach ein wenig
Zeit ließ und ihn nicht gleich mit Fragen bombardierte. Da Werles Kollegen

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