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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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wie
gelähmt auf ihren Stühlen saßen, erlaubte ich mir, dem Sozialpädagogen eine
Tasse hinzustellen und sie mit Kaffee zu füllen. Er öffnete und schloss seine
Faust, bevor meine Geste wirkte. Er nahm die Tasse und trank mit spitzen Lippen
einen Schluck.

    Ich hatte das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt
war, und fragte: »Was hatten Sie befürchtet?«

    Der Sozialpädagoge murmelte: »Das ist alles vertraulich …«
Es blieb offen, ob er mit sich oder mit uns sprach.

    Ich sagte: »Sie meinen, es war alles vertraulich.«

    Nina ergänzte: »In diesem Fall gilt die Schweigepflicht
nicht mehr.«

    Â»Ich weiß«, sagte Werle. »Es ist nur, wir haben erst am
Donnerstag …« Er seufzte und rang mit den Händen.

    Â»Beginnen Sie einfach am Anfang«, schlug ich vor. Ich
konnte manchmal ein halber Psychologe sein.

    Georg Werle atmete tief durch, hielt die eine Hand mit
der anderen fest und erzählte. »Es gibt bei uns an der Schule eine
Heavy-Metal-Clique.«

    Wir warteten eine Weile, beugten uns vor, aber Werle hatte
seine Schilderung gestoppt, bevor er richtig angefangen hatte. Sein Blick war
nach innen gerichtet, auf die Vergangenheit oder auf einen anderen Ort, den nur
er wahrnehmen konnte. Wir hatten Tobias gesehen, kannten sein Zimmer und seinen
Musikgeschmack. Ich ahnte also, was der Mann meinte. Trotzdem fragte ich: »Was
meinen Sie mit Heavy-Metal-Clique?«

    Der Sozialpädagoge schreckte hoch. »Oh! Ja. Das ist eine
Gruppe von fünf Schülern der Oberstufe.«

    Ich ergänzte in Gedanken: Die Jungs haben sich getroffen,
um zusammen Musik zu hören und abzuhängen.

    Herr Werle sagte jedoch: »Die fünf haben eine eigene Band
gegründet und sich in der Schule getroffen, um zu proben.«

    Ich war überrascht und vergewisserte mich, dass mein Kinn
noch an seinem Platz und mein Mund geschlossen war, dann notierte ich mir diese
neue Information. Mein Bild von Tobias, das sich ganz wesentlich am gängigen
Klischee eines jugendlichen Einzelgängers orientiert hatte, war damit obsolet.

    Â»Die Band hat vor allem Coverversionen bekannter Gruppen
gespielt. Seit diesem Jahr haben sie aber begonnen, eigene Songs zu spielen.«

    Auch das notierte ich mir. »Alles Heavy Metal?«

    Werle nickte. »Ich glaube, es war ein neuer Stil, aber so
ganz genau kenne ich mich damit nicht aus. Ich fand es auf jeden Fall ziemlich
gut.«

    Â»Welches Instrument hat Tobias gespielt?«

    Â»Leadgitarre.«

    Â»Wir haben in seinem Zimmer und im Haus keine Gitarre
gefunden. Seine Eltern haben auch nichts von einer Band erwähnt.«

    Herr Werle presste die Lippen kurz aufeinander und sagte
dann: »Tobias durfte zu Hause nicht üben. Sein Vater hat ihm verboten, seine
Gitarre mitzubringen. Die Band hat immer hier in der Schule geprobt und Tobias
ist häufig länger geblieben, um zu üben.«

    Â»Wer hat komponiert?«

    Â»Das war Tobias. Und Jessica.«

    Ich hob die Augenbrauen. »Es ist ein Mädchen dabei?«

    Georg Werle lachte kurz auf. »Die Band besteht aus zwei
Jungen und drei Mädchen.«

    Â»Können Sie uns die Namen der Bandmitglieder geben?«

    Georg Werle diktierte: »Natalie Pflug, Jan Rosenfelder,
Heike Sperling und Jessica Kühnlein.«

    Ich fragte: »Wo befinden sich diese Schüler jetzt?«

    Â»Heute ist Bandprobe, das heißt, um sechzehn Uhr werden
sie im Proberaum sein.«

    Herr Stallmann und Frau Veen hatten während des Berichts
ihres Kollegen geschwiegen und staunend zugehört. Wir befanden uns eindeutig an
einem Gymnasium, wo das Interesse an den persönlichen Belangen der Schüler, die
zumindest vordergründig nicht den Unterricht berührten, an Spezialisten delegiert
war. Wir konnten uns glücklich schätzen, dass der Sozialpädagoge diese
Oberstufenschüler im Blick hatte.

    Â»Was hat es mit dieser Gruppe auf sich?«

    Â»Diese Schüler sind nicht die ruhigsten. Und nicht die zufriedensten.«

    Â»Und nicht die leistungsstärksten«, warf Elisabeth Veen
ein, um auch etwas beizutragen. Ich vermutete, dass sie wirklich nicht mehr von
Tobias wusste als seine Leistungen im Englischkurs.

    Â»Es gab häufig Konflikte innerhalb der Band«, sagte Georg
Werle nun.

    Das Wort ›Motiv‹ tauchte am Horizont meiner Gedanken auf.
»Was für Konflikte waren das?«, fragte ich.

    Â»Im Grunde nichts

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