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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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einen Arm um das
dritte Mädchen gelegt.

    Â»Und du musst Heike sein«, sagte ich.

    Sie nickte kaum wahrnehmbar und Jan drückte sie auf einen
Stuhl. Heike hatte lange, glatte, fast weiß gebleichte Haare, ein paar von der
Nase her im Gesicht verstreute Sommersprossen und zwei kleine Ringe in der
Unterlippe.

    Jan war, vor allem verglichen mit Tobias, eigentlich eher
ein Mädchentyp, ohne eingefallene Wangen, dafür mit wahrnehmbaren Schultern und
einem Brustkorb, der uns ein schwarzes T-Shirt entgegenwölbte. Er hatte seine
Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Wenn ich an Werles Schilderungen
dachte, waren seine Drohungen vielleicht doch nicht ernst gemeint gewesen. Jan
zeigte keine der Regungen, die ich aufgrund der Beschreibung erwartet hatte. Er
war weder froh noch erleichtert noch verärgert. Er war genauso erschüttert wie
die anderen.

    Wir setzten uns ebenfalls und Nina übernahm die Befragung,
ohne dass wir es vorher hätten absprechen müssen. Wenn ich die Situation
richtig deutete, würden wir jedoch nicht viel erfahren.

    Nina wählte einen leichten Einstieg. »Herr Wegener hat
bereits gesagt, dass Tobias heute Morgen tot aufgefunden wurde.«

    Jessica schluchzte laut. Natalie legte einen Arm um sie.

    Nina sprach weiter, während ich mich auf das Beobachten
konzentrierte. »Wir waren im Haus und haben mit seinen Eltern gesprochen. Wir
haben uns auch Tobias’ Zimmer angesehen. Dann sind wir zur Schule gekommen.«

    Heike liefen ein paar Tränen über die Wangen. Jan auch.

    Â»Wir möchten gerne so schnell wie möglich herausfinden,
warum Tobias gestorben ist.«

    Â»Ist er denn …«, fragte Jan leise und wischte sich unauffällig
durch das Gesicht. »Ich meine, wurde er …«

    Â»Wir können ein Gewaltverbrechen nicht ausschließen«,
sagte Nina. Jessica schlug die Hände vor ihr Gesicht und flüchtete in Natalies
Arme. »Wir sind hierhergekommen, weil wir so viel wie möglich über Tobias
erfahren möchten. Was für ein Mensch er war, was er gemocht hat und was für
Freunde er hatte.«

    Â»Wir waren seine Freunde«, sagte Natalie, während sie
Jessica über den Kopf streichelte. Jan nickte mit bebendem Kinn, dann kamen die
Tränen wieder.

    Â»Ihr habt zusammen Musik gemacht?«, fragte Nina.

    Heike nickte stumm.

    Â» K-Metal, ist
das der Name eurer Band?« Ich schaute auf den Schriftzug der T-Shirts.

    Heike nickte wieder. »Unsere Band«, bestätigte sie mit
leiser Stimme.

    Jan sagte: »Das ist nicht nur unsere Band. Das ist unser
Stil. Ein ganz neuer Stil.« Seine Stimme war schwer, aber die Trauer konnte
seinen Stolz nicht ganz ersticken.

    Nina meinte: »Im Metal gibt es doch schon unheimlich
viele Stilrichtungen.«

    Â»Aber nicht so eine«, sagte Jan und reckte sein Kinn vor.
»Es war Tobias’ Idee …«

    Â»Wir sind fünf«, sagte Jessica, die sich halb aus
Natalies Armen gelöst hatte. Ihre Augen waren verquollen, schwarze Tränen
rannen über ihre Wangen. »Wir sind fünf, wir haben zwei Rhythmusgitarren.
Andere Bands haben nur eine. Tobias hatte die Idee, das auszunutzen.«

    Nina nickte, als würde sie das verstehen. Aber vielleicht
verstand sie es wirklich, denn sie sagte: »Beide Gitarren können miteinander
oder als Kontrapunkt spielen.«

    Â»Ja, genau«, sagte Jessica und ein schwarzes Glitzern
trat in ihre Augen.

    Â»Das könnte wirklich neu sein«, sagte Nina.

    Â»Das ist neu. Tobias hat …« Jessica schluckte, dann
hatten wir sie wieder verloren.

    Â»Ich habe eure Demo-CD. Ich werde sie mir heute Abend
anhören.« Nina wandte sich an Herrn Werle. »Könnten Sie bei Natalie und Jessica
bleiben?«

    Ob der Sozialpädagoge unsere Absicht verstand oder nicht,
er nickte. Ich fragte ihn leise nach den Schlüsseln zu seinem Büro. Er gab sie
mir und Nina dirigierte Jan und Heike aus dem Studio.

    Wir nahmen die beiden in die Mitte. Auf halbem Weg zum
Büro bemerkte Heike, dass sie ihre Tasche im Studio gelassen hatte. »Ich gehe
mit dir«, bot Nina an und die beiden liefen noch einmal zurück. Ich legte Jan
die Hand auf den Arm und sagte: »Komm, wir gehen schon einmal vor.«

    Das Wetter half mir mit einer nasskalten Böe, ihn zu überreden,
und wir setzten unseren Weg allein fort. Jan schaute sich noch einige Male um,
aber ich wusste, dass Nina Heike nicht in

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