Gegen jede Regel
an dem Abend mit der Probe? Ihr
habt noch weiter geübt.« Um Tobiasâ Beziehungen zu den anderen Mädchen würden
wir uns später kümmern.
»Ja, ungefähr eine Stunde. Dann konnte Heike ihren Teil
spielen.«
»Und dann?«
»Ja, dann ⦠Es war spät. Wir waren aufgedreht. Und Heike
war sehr dankbar«, sagte Jan und lächelte. Sein Lächeln war nicht prahlerisch,
sondern eher entschuldigend.
»So ist es also passiert«, sagte ich sinnierend.
Jan nickte. »Ja, so ist es passiert.«
Es war fast ein echtes Männergespräch. Es fehlte nur noch
ein Bier zum AnstoÃen. »Und ist es schön, mit Heike zusammen zu sein? Ich
meine, bist du glücklich mit ihr?«, fragte ich.
Jan schaute mich an, als könne er nicht glauben, dass ich
ihn das fragte. Hastig antwortete er mir: »Ja, natürlich. Sicher bin ich
glücklich.«
»Bist du in sie verliebt?«
»Klar bin ich das.«
Ich machte eine Pause. Ich hatte schon leidenschaftlichere
Liebeserklärungen gehört. Es würde eine Ewigkeit dauern, bis wir uns ein Bild
über das Beziehungsgeflecht in dieser Band gemacht hatten.
»Aber letzte Woche â¦Â«
Jan presste die Lippen zusammen. »Heike hat mit Tobias
geschlafen.«
»Wie ist das passiert?«
»Ich weià es nicht genau. Es war am Mittwoch.«
»Und wie hast du davon erfahren?«
»Heike hat es mir gesagt.«
»Einfach so? Wie hast du reagiert?«
»Ich wollte am Donnerstag nach der Probe noch mit ihr
weggehen. Da sagte sie mir, sie sei noch ganz durcheinander. Sie müsste erst
einmal über uns nachdenken.«
Dieser Satz war ein echter Klassiker bei den Mädchen. Das
war bestimmt bitter für Jan gewesen. »Und dann?«
»Ich habe sie gefragt, was los ist, und sie hat es mir erzählt.«
»O Mann.«
»Ich war stinksauer und bin vollkommen ausgerastet. Ich
bin auf Tobias los. Wir haben uns geprügelt. Ich war blind vor Hass und wollte
nur noch zuschlagen.«
»Du hast gedroht, ihn umzubringen.«
Jan nickte.
»Meintest du das ernst?«
»Ja.«
Der Junge erhielt von mir hundert Punkte für Ehrlichkeit.
»Und hast du es getan?«
Jan schaute mich mit leerem Blick an. »In diesem Moment,
wenn ich es gekonnt hätte, ich hätte es getan. Aber Herr Werle hat mich
zurückgehalten. Und dann ist Tobias abgehauen.«
»Du hast ihn das ganze Wochenende lang nicht gesehen?«
Jan schüttelte den Kopf.
»Hast du ihn denn gesucht? Du warst immer noch wütend.«
»Heike ist auch abgehauen. Jessica war auch sauer und ist
hinter Tobias her. Natalie hat sich noch etwas um mich gekümmert.«
Ich wartete ab, ob er mir erklären würde, was das bedeuten
sollte.
»Ich meine, sie ist bei mir geblieben, bis ich mich ein wenig
beruhigt hatte. Bis ich nicht mehr gezittert habe und keinen roten Schleier
mehr vor den Augen hatte.«
Wenn Jan bis zum roten Schleier gekommen war, hatten
beide Jungen Glück gehabt, dass am Donnerstag nichts Schlimmeres passiert war.
Bei Tobias hatte das Glück aber nur bis Sonntagabend gehalten.
»Und dann?«
»Wir sind mit dem Fahrrad nach Hause gefahren. Natalie
ist mit mir gekommen. Sie hat vor meiner Tür gewartet, bis ich im Haus war.
Dann ist sie auch heimgefahren, glaube ich.«
»Das war nett.«
»Es war das, was Freunde füreinander tun.«
Damit mochte er recht haben. »Wie ist es weitergegangen?«
»Als die Wut vorbei war, habe ich geheult.«
Er hatte schon hundert Punkte für Ehrlichkeit erhalten, deshalb
konnte ich ihm keine zusätzlichen mehr geben.
»Und am nächsten Tag? Hast du versucht, Tobias zu finden?«
Ich griff die Frage wieder auf, die er noch nicht beantwortet hatte.
»Nein. Ich habe mich in die Schule geschleppt, aber Tobias
war nicht dort.«
»Warst du nicht mehr wütend?«
»Ich habe mich geschämt. Ich war traurig.«
»Nicht mehr wütend? Nach so einer Sache?«
»Zuerst habe ich mich auch gewundert. Aber die Wut war
weg. Ich fühlte mich nur noch leer.« Ich wunderte mich ebenfalls, lieà ihn aber
weiterreden. »Ich meine, ich hätte mich eigentlich nicht wundern dürfen, oder?
Wir alle mochten Tobias.«
»Nur weil man jemanden mag, muss man nicht gleich mit ihm
schlafen.«
»Es ist schwer zu erklären. Tobias ist ⦠Er war ein
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