Gegen jede Vernunft
der Mitte stand eine silberne Vase mit cremefarbenen Rosen.
Nachdem sie Platz genommen und der Maître sich zurückgezogen hatte, schaute Anna sich erst in dem leeren Raum um und sah dann zu Leo. Er hob eine dunkle Braue in Erwartung der Frage, die gleich kommen musste, doch Anna lachte nur.
„Das ist total verrückt, Leo! Hast du das Restaurant etwa gekauft?“
„Nur für eine Nacht, Sweetheart .“
Es war alles so unwirklich und … romantisch. „Wir könnten doch auch in Gesellschaft anderer Gäste essen.“
„Nicht heute Abend. Da will ich dich ganz für mich allein haben.“
„Du hast mich bald doch fast jeden Tag um dich.“
„Das ist nicht dasselbe, und es ist nie lange genug. Aber heute Abend haben wir alle Zeit der Welt.“
„Und was ist mit den Kellnern?“, fragte Anna in einem Anflug von Koketterie. „Die kannst du wohl kaum wegschicken.“
„Nein, die brauchen wir noch, genau wie das Orchester später.“
„Ein Orchester?“
„Wir haben noch nie miteinander getanzt, Sweetheart “, murmelte Leo. „Und ich möchte dich unbedingt zu romantischen Klängen in meinen Armen halten …“
Plötzlich verlegen senkte Anna den Blick auf ihre blütenweiße Serviette mit dem schmalen ziselierten Goldband. Ihr Herz klopfte so heftig, dass es fast aus der Brust sprang, und ein warmes Glücksgefühl durchströmte ihren ganzen Körper. Dass es noch stärker war als damals auf der Insel machte ihr Angst. Was, wenn morgen wieder alles vorbei sein würde?
„Du könntest enttäuscht werden“, warnte sie.
„Das bezweifle ich.“ Seine Stimme klang so fest und überzeugt, als wäre er sich noch nie einer Sache so sicher gewesen.
„Und wenn ich dir auf die Zehen trete?“, versuchte Anna einen leichteren Ton anzuschlagen, weil sie die Intensität ihrer Gefühle kaum noch ertrug.
„Unmöglich! Du bist dein ganzes Leben trainiert worden, eines Tages Königin zu werden. Und die treten ihren Tanzpartnern nicht auf die Füße. Und wenn, dann mit voller Absicht.“
Das brachte sie zum Lachen. „Na besten Dank! Wie kannst du mich so unter Druck setzen? Wenn mir jetzt ein Missgeschick passiert, wirst du mir also Vorsatz unterstellen?“
„Auf jeden Fall.“
Sein Blick war so intensiv und herzerweichend, dass Anna froh war, als ein Kellner auftauchte, um Leo ein Glas Wein und ihr einen nichtalkoholischen Cocktail zu servieren. Sobald er sich zurückgezogen hatte, plauderten sie über Gemeinplätze wie das Wetter, Amantis wachsenden Tourismus und Annas Arbeit als offizielle Repräsentantin der reizvollen Mittelmeerinsel, bis ihnen das Essen serviert wurde.
Erst da merkte Anna, wie hungrig sie war. Ohne Hemmungen probierte und aß sie alles, was ihr vorgesetzt wurde: Fois gras , gegrilltes Black Angus Filet mit einer leichten Béarnaise und ein Trüffelrisotto , überbacken mit würzigem Castelmagno d’Alpeggio . Alles war einfach köstlich.
Nachdem der Hauptgang abgeräumt und das Dessert serviert worden war, zog Leo eine kleine Samtschatulle hervor und platzierte sie in der Mitte des Tischs. Anna legte den Löffel zur Seite und spürte, wie ihr Puls in die Höhe schnellte.
„Was … was ist das?“
„Ich denke, das weißt du.“
„Aber das ist nicht nötig.“ Es tat weh, das zu sagen. Doch noch mehr schmerzte das Wissen, dass der Ring, den sie in der Schatulle vermutete, kein Unterpfand ihrer Liebe war, sondern ein Demonstrationsobjekt, gedacht für die öffentliche Neugier.
Aber war es nicht genau das, was sie mit diesem Schachzug hatte bezwecken wollen? Allen etwas vorzumachen, um sich und ihr ungeborenes Kind zu schützen? Oder wünschte sie sich heimlich, dass Leo sie aus einem anderen Grund heiratete? Nicht weil sie ihn quasi dazu gezwungen hatte, sondern weil er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen konnte?
Anna, Anna … was bist du doch nur für ein unberechenbares Geschöpf?
Dabei hatte alles so klar und folgerichtig ausgesehen, als sie nach London gekommen war. Leo Jackson würde als werdender Vater seinen Teil der Verantwortung übernehmen und ihr seinen Namen geben, um sie und sein Kind vor einem Skandal zu schützen. Sie wollte seine Unterstützung, ohne die Rolle der Märtyrerin aufzugeben, die niemanden brauchte.
Und dann war plötzlich alles anders, und sie musste sich eingestehen, dass sie viel mehr von Leo wollte. So viel, dass es ihr eine Heidenangst machte.
Leo schob ihr die Schatulle hin. „Ich denke, es ist notwendig.“
Mit zitternden Fingern öffnete
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