Gegen Vaters Willen
zu sehen, strich ihm kurz über den Unterarm, während ihr Blick zwischen den Jungs hin und her huschte und fragte, ob die beiden noch einen Kaffee mit ihr trinken würden. Sie stimmten nur zu gern zu, wollten sich jedoch vorher noch umziehen.
Ryan nahm seinen Rucksack und stieg die Treppe hinauf. Im ersten Stock, wo auch das Schlafzimmer seiner Eltern lag, befand sich das Gästezimmer, ein heller Raum, mit Eichenmöbeln und einem gemütlichen Bett. Während er eine Etage höher ging, setzte sich Leon auf eben dieses Bett und seufzte.
Das war es nicht, was er wollte. Im Grunde würde er viel lieber bei Ryan schlafen, doch er war sicher, dass er ihm nicht widerstehen könnte, und das Letzte, was er wollte, war, Ryan wehzutun. Noch mehr, als er ohnehin schon zugelassen hatte. Er zog eine alte Jeans, Pullover und Turnschuhe aus seiner Reisetasche, legte seinen schwarzen Pyjama aufs Bett und zog sich um. Auf der Treppe traf er auf Ryan und fragte ihn, was heute noch anliegen würde.
„Naja, ich wollte eigentlich den Schweinestall noch sauber machen, dann muss ich das morgen nicht tun. Lance hat es ja nicht mehr geschafft. Ansonsten steht der Hof im Vordergrund. Das Herbstlaub muss weg. Dann können wir morgen Abend vielleicht damit ein Lagerfeuer machen. Das haben wir früher immer gemacht an Thanksgiving.”
„Was denn? War dein Vater mal ein Familienmensch?”, fragte Leon erstaunt.
Ryan lachte. „Nein, das war er noch nie. Es war zu den Zeiten, als mein Großvater noch gelebt hat. Er hat das Lagerfeuer immer veranstaltet. Er war der Familienmensch.” Bei der Erinnerung an den Vater seiner Mutter legte sich augenblicklich ein breites Lächeln auf sein Gesicht.
„Aber mit Laub ist ein Lagerfeuer ungünstig. Es ist zu nass”, gab Leon zu bedenken, nachdem er den völlig der Gegenwart entrückten Ryan ansah und sich eingestand, dass er dieses Lächeln so sehr liebte. Ryan zuckte zusammen und überlegte einen Moment.
„Ja, mal schauen, ob wir noch genügend Holz haben. Mein Vater wirft es immer auf einen Haufen, neben der alten Scheune. Dann redet er ein halbes Jahr davon, dass er es abholen lassen will, und im Endeffekt muss doch ich mich darum kümmern.”
Ryan setzte sich in der Küche an den Tisch, während Leon sich die Hände wusch und dann neben ihm Platz nahm.
„Okay, dann mach du, was du im Stall machen musst, und ich kümmere mich schon mal um das Laub.”
Ryan nickte einverstanden.
In der Zwischenzeit hatte Eileen zwei Tassen Kaffee auf den Tisch gestellt, und als sie den frischgebackenen Hefezopf dazu legte, wäre Leon am liebsten aufgesprungen und hätte sie geküsst. In ihm breitete sich so ein starkes Gefühl von Wärme und Zufriedenheit aus, dass er unwillkürlich selig lächelte. Neugierig nahm er sich ein Stück und schob es sich in den Mund.
„Schau mal, Mum. Dein Hefezopf hat auf alle die gleiche Wirkung”, grinste Ryan.
Eileen drehte sich um und lächelte beim Anblick, den Leon bot. „Das ist der Zauber der Backkunst.”
„Da stimm ich Ihnen zu. Der schmeckt unglaublich”, seufzte Leon und schob sich ein weiteres Stück in den Mund.
Als sie später auf den Hof traten, gab Ryan Leon einen Laubbesen und verschwand dann im Stall. Gut vierzig Minuten arbeiteten sie still vor sich hin, dann war Leon mit dem Hof fertig.
Ziemlich verdreckt kam Ryan aus dem Stall. Ein breiter Schmutzstreifen zog sich über seine rechte Wange.
„Was hast du denn gemacht?”, lachte Leon, und ohne darüber nachzudenken, wischte er sanft über Ryans rechte Wange.
Ryan blickte ihm dabei direkt in die Augen und biss sich unruhig auf die Unterlippe.
Sofort zog Leon seine Hand zurück und sah verlegen zu Boden.
„Ähm … du bist fertig, wie ich sehe”, sagte Ryan, ohne weiter auf den Zwischenfall einzugehen. Mit dem Ärmel wischte er sich das Gesicht sauber und schaute sich um. „Lass uns mal sehen, was noch an Holz da ist.”
Leon kratzte sich verlegen im Nacken und folgte Ryan über den Hof zu einer Scheune.
Diese war riesig. In einer Ecke stand ein alter Traktor, in der anderen waren mehrere Strohballen und Holzlatten aufgestapelt. Auf dem hohen Dachboden lagen Heuballen und Decken, außerdem hing dort ein Punchingball.
„Wem gehört der denn?”, fragte Leon.
„Der hängt da schon ewig. Ich weiß nicht genau. Ab und zu, wenn das Wetter für Gleisspaziergänge ungünstig ist, reagiere ich mich daran ab. Allerdings nur im Sommer. Um diese Jahreszeit ist es mir hier drin zu kalt.”
Leon
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