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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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sind?«, fragte ich, während ich das Fahrrad auf den Bürgersteig schob.
    »Nein«, sagte Emily.
    Das hatte ich mir gedacht. Aber hundert Meter weiter hob Emily zu meinem großen Erstaunen den Kopf und sagte: »Ein paar sind vielleicht doch ganz nett. Valentina zum Beispiel. Aber mit der spielt keiner.«
    »Warum denn nicht?«
    Emily zuckte mit den Schultern. »Sophie und Flavia sagen, eigentlich darf Valentina gar nicht auf unsere Schule gehen, weil ihre Mutter nur Putzfrau ist und nicht mal richtig Deutsch kann.«
    »Aber offensichtlich ist Valentina echt schlau, wenn sie ohne Insider-Mütter-Society-Aufnahmetest-Test-Training erklären konnte, wozu man ein Semikolon braucht«, sagte ich.
    »Sophie sagt, Valentina hat gar keine Puppen, nur einen Bär, und der ist hässlich«, sagte Emily. »Aber vielleicht will Valentina ja gar keine Puppen haben. Ich finde Puppen auch doof. Außer Barbie.«
    »Das klingt nach echter Seelenverwandtschaft«, sagte ich. »Warum verabredest du dich denn nicht mal mit Valentina?«
    »Oma will das bestimmt nicht«, sagte Emily. »Valentina hat immer so komische Sachen an. Und ihre Mutter auch.«
    »Hm«, machte ich. »Soll ich mal mit deiner Oma oder deinem Papa reden?«
    »Das kannst du dir sparen. Auf dich hört sowieso keiner«, sagteEmily und war mit einem Schlag wieder ganz die Alte. »Ich hoffe nicht, dass du wieder diese Tortellini mit grüner Soße gekocht hast, dann mache ich lieber direkt Hausaufgaben.« Sie seufzte. »Wenn ich irgendwo in eurem Irrenhaus einen Platz finde, wo mich niemand stört, bis Papa kommt.«
    Unter anderen Umständen hätte ich »Ich könnte dir so lange eine Zelle im Keller anbieten« gesagt, aber heute konnte ich sogar ein gewisses Maß an Verständnis für Emilys Garstigkeit aufbringen. Wie Frauke gesagt hatte: Aggressionen erzeugen immer Gegenaggressionen. Obwohl ich ja daran zweifelte, dass das Wort Gegenaggression im Duden stand.
    * * *
    Nelly gab der Haustür einen Tritt, dass sie krachend ins Schloss fiel. Der Kronleuchter klirrte leise mit seinen falschen Kristallen.
    »Noch mal«, rief ich aus dem Wohnzimmer. »Die Bilder sind noch nicht von der Wand gefallen.«
    »Spar dir deine dummen Witze«, fauchte Nelly und stapfte die Treppe hoch.
    »Was hat sie denn?«, fragte Julius.
    »Freitagsabend-Liebeskummer«, sagte ich.
    »Quatsch!«, schrie Nelly. »Ich habe einfach nur eine Sauwut.« Sie riss die Tür zu ihrem Zimmer auf und knallte sie hinter sich zu.
    »Worauf hat sie Wut?«, fragte Julius. »Auf Kevin«, sagte ich.
    Nelly riss die Tür wieder auf. »Nicht auf Kevin! Auf mich selber! Weil ich so eine dumme Kuh bin und mich in den falschen Jungen verliebt habe! In so ein babysittendes Weichei! Und ich dachte, Kevin sei cool! Wie blöd kann man denn sein? Aber jetztist es zu spät! Max ist mit dieser doofen Laura-Kristin zusammen, und ich bin in einen Typ verliebt, der nach Penatencreme riecht.«
    »Willst du nicht zu uns runterkommen?«, fragte ich. »Nein!«, schrie Nelly und knallte die Tür wieder zu. Julius und ich warteten. Nach vier Sekunden flog die Tür wieder auf.
    »Er wollte allen Ernstes, dass ich Samantha die Windel wechsle! Und zwar eine vollgeschissene Windel! Er dachte noch, er tut mir einen Gefallen damit!«
    Ich bemühte mich, nicht zu lachen, und guckte so empört wie nur möglich.
    »Offenbar war seine vorige Freundin ganz scharf darauf, Babywindeln zu wechseln«, brüllte Nelly. »Wie krank ist das denn?«
    »Popcorn«, sagte ich. »Julius und ich machen Popcorn.«
    Nelly kam ein paar Stufen die Treppe herunter. »Er hat gesagt, ich sei nicht normal! Ich! Nur weil ich es nicht toll finde, mit Babys und kleinen Kindern rumzumachen und in deren Kacke rumzuwühlen.«
    Als wir nichts erwiderten, fing sie an zu weinen: »Ist ja nicht so, dass das arme Waisenkinder wären. Die haben ja schließlich Mütter, die das machen können.«
    »Wir haben auch Chips und Eis«, sagte Julius.
    Nelly kam noch ein paar Stufen näher. Sie schniefte. »Ich finde das so ungerecht.«
    »Wir wollten eine DVD gucken und auf dem Sofa picknicken«, sagte ich. »Du darfst mitmachen, wenn du willst.«
    »Aber nur, wenn wir einen traurigen Film angucken«, sagte Nelly.
    »Dann gucken wir Dumbo«, sagte Julius und hatte schon bei dem Gedanken daran Tränen in den Augen. »Das ist so traurig,wenn die Elefantenmutter eingesperrt wird und nicht zu dem armen Dumbo kann.«
    »Ich möchte mein Popcorn mit zerlassener Butter«, sagte Nelly. »Und ich möchte

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