Gegensätze ziehen sich aus
Couchtisch stand ein Teller mit kleingeschnittenem Obst. Ein rosafarbener I-Pod hing um ihren Hals, aus den Kopfhörern drang leises Wummern zu uns hinüber.
»Das ist doch ...«, sagte ich, aber Ronnie unterbrach mich.
»Ich weiß, was du jetzt denkst. Aber das ist ihr eigener. Ich habe sie auf Nellys I-Pod angesprochen, und da hat sie gesagt, sie habe nur mit ihm gespielt, weil sie genau den gleichen hat. Nur ihren muss sie leider mit ihrer Schwester und ihrem Bruder teilen. Sie hat ihn nur alle drei Wochen.«
»Wovon sprichst du?«, fragte Mimi.
»Von dem I-Pod«, sagte ich. »Ich hatte die Vermutung, es könnte Nellys sein, aber Ronnie fand das ungeheuerlich von mir.«
»Das soll Nellys I-Pod sein?«, fragte Mimi. »Aber wie sollte der denn hierherkommen?«
Coralie hatte immer noch die Augen geschlossen.
»Constanze meint, Coralie könnte ihn gestohlen haben«, sagte Ronnie. »Auf der Geburtstagsfeier. Aber das ist natürlich ganz ausgeschlossen. Wie ich schon sagte, sie hat den gleichen ...«
Mimi sah erst Ronnie, dann Coralie entsetzt an. »Wie lange weißt du das denn schon?«
»Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass das Nellys I-Pod ist«, sagte Ronnie.
»Aber es könnte schon sein, oder nicht?«
»Das können wir doch ganz leicht feststellen«, sagte ich und machte einen Schritt auf Coralie zu.
Ronnie hielt mich fest. »Du willst doch jetzt nicht kontrollieren, was da alles für Musik drauf ist, oder? Diese Misstrauensbekundungen würde ich ihr gern ersparen.«
Coralie öffnete ihre Augen. Sie sah mich erschrocken an, aber dann lächelte sie und nahm die Kopfhörer aus ihren Ohren.
»Hallo«, sagte sie mit ihrer süßen Stimme.
»Hallo, Coralie«, sagte ich. »Ist das Nellys I-Pod?«
»Bitte, hör einfach nicht hin«, sagte Ronnie.
Coralies Grübchen vertieften sich. »Nein, das ist nicht Nellys I-Pod. Das ist meiner. Das heißt, er gehört uns allen. Ich hätte lieber einen grünen gehabt, aber meine Schwester durfte die Farbe bestimmen.«
»Da siehst du es«, sagte Ronnie.
»Darf ich mal sehen?« Ich drehte den I-Pod um. »Na, das ist aber ein Zufall. Deine Schwester heißt wohl auch Nelly Wischnewski, oder warum ist hier ihr Name eingraviert? Und sie hat sogar am gleichen Tag Geburtstag.«
Coralie riss mir das Teil aus der Hand und drückte es an ihre Brust. »D... das muss eine Verwechslung sein!«, stotterte sie.
»Oh mein Gott«, sagte Ronnie. Mimi sagte gar nichts.
Coralie hatte begriffen, dass sie ihre Taktik ändern musste. Sie begann zu weinen. »Ich wollte das doch nicht. Aber er ist so toll, so einen habe ich mir immer schon gewünscht, und am Ende hatte ich ihn in meiner Tasche vergessen. Ich wollte ihn zurückgeben, ehrlich. Ich wollte ihn nur eine Zeit lang behalten.«
»Kann ich ihn bitte jetzt wieder haben?«, sagte ich und streckte die Hand aus. Coralie legte den I-Pod zögernd hinein. Dicke Tränen kullerten in Zeitlupe aus ihren großen Augen.
»Danke«, sagte ich.
Mimi und Ronnie standen mit hängenden Armen vor dem Couchtisch. Sie taten mir sehr leid.
»Ist ja alles in Ordnung«, sagte ich. »Jetzt ist die Sache ja geklärt.«
»Nichts ist in Ordnung«, schluchzte Coralie und sah mit einem wirklich herzzerreißenden Blick zu Mimi und Ronnie auf. »Jetzt wollt ihr mich sicher nicht mehr haben.«
Da kam wieder Leben in Ronnie und Mimi.
»Natürlich wollen wir dich noch haben«, rief Ronnie, und Mimi nahm Coralie in die Arme.
»Aber ich bin eine gemeine Die-hi-bin«, schluchzte Coralie. »Ihr könnt mich einfach nicht mehr lieb haben. Ich habe euch doch so enttäuscht.«
Jep!
»Nein, sag doch so etwas nicht«, sagte Mimi. Und Ronnie sagte: »Alle Menschen machen Fehler, auch Erwachsene.«
»Ich geh dann mal«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Warte! Wir sind gleich wieder da, ja, Schätzchen?« Mimi streichelte Coralie über die roten Locken. Coralie nickte tapfer. Ich konnte nicht anders, ich musste ihre schauspielerische Leistung bewundern.
»Bitte, entschuldige, Constanze«, sagte Ronnie draußen im Flur ehrlich zerknirscht. »Es tut mir ganz schrecklich leid, was ich dir alles an den Kopf geworfen habe.«
»Schon in Ordnung«, sagte ich. »Du hast sie ja nur verteidigt.«
Mimi nahm seine Hand. »Verzeih ihm. Er ist ein wenig verblendet«, sagte sie. »Aber sie braucht Menschen wie ihn. Die sie so nehmen, wie sie ist. Es wird sicher noch dauern, aber irgendwann ist sie so weit, dass sie ganz ehrlich mit uns umgehen kann.«
Ja, wenn ihr euer Testament
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