Gegenwinde

gesagt, aber wir hätten nicht zugehört, ich war immer beeindruckt, wie dreist er lügen konnte. Es war auf einmal Nacht geworden, Sternhaufen zitterten am nicht ganz dunklen Himmel. Vom Boden stiegen Gerüche auf nach Erde und Lakritz, schwarzen Johannisbeeren und Wasser, eine versunkene Welt, die wieder ihr Recht beanspruchte, die, wenn es Abend wurde, aus der Tiefe hervorzubrechen schien. Wir kehrten zu den Autos zurück, ich zögerte, die Kinder alleinzulassen, aber Clément hatte wirklich Lust, noch bei seinem Onkel und seiner Tante zu bleiben.
    »Du willst vor allem die Xbox von Alex testen«, sagte ich.
    Er lächelte verschmitzt, und es beruhigte mich, ihn so pfiffig und gerissen zu sehen wie früher. Manon küsste mich, bevor sie sich wieder in Nadines Armen sinken ließ und sie bestimmt zehn Minuten lang mit Küssen und unsinnigen Liebesbeteuerungen überschüttete.

In den Häusern schimmerten gelbe und cremeweiße Rechtecke, diskret und schüchtern, als müssten sie kämpfen, um nicht zu verschwinden, verschluckt zu werden von der finsteren Nacht. Im Winter lastete sie manchmal so schwer, so drückend auf der Erde, als sollte es nie wieder Tag werden. Ich klopfte an die Scheibe. Wie lange warteten sie schon hier im Auto? Der Kleine schlief in den Armen des Großen, und es schien ihm gutzugehen im Schutz seines Vaters. Ich bedeutete ihnen, mir zu folgen. Sie streckten sich mit ein und derselben Bewegung, sie hatten tief geschlafen und ganz schön Mühe, wieder zu sich zu kommen.
    In der Garage standen noch ein paar Kartons herum, aber zum größten Teil war das Durcheinander den Kindern zu verdanken: Um einen wilden Haufen von Eimern Rechen Schaufeln Drachen Keschern gruppierten sich Fahrzeuge aller Art, Fahrräder Schlittschuhe ein rosa Roller mit Rüschen.
    »Ich führe Sie nicht herum, Sie kennen die Örtlichkeiten.«
    Der Große lächelte, und der Junge versteckte sich hinter ihm, er wirkte angespannt, aber das war nicht verwunderlich, er war zwar groß für sein Alter, aber doch noch ein Kind, und das Leben musste in letzter Zeit recht sonderbar für ihn sein, Hotel folgte auf Hotel, Deckname auf Deckname, sie versteckten sich, glücklich und nervös, ängstlich und wehrlos, diese Geschichte würde böse enden.
    »Willst du mal versuchen?«
    Ich wies auf den Ledersack, und seine Miene hellte sich sofort auf, etwas Kindliches blitzte in seinen Augen, es gefiel mir, ihn so zu sehen. Ich wühlte im Schrank, es war ein unbeschreiblicher Verhau, aber ich schaffte es trotzdem, die Handschuhe zutage zu fördern. Ein Jahr zuvor hatte ich Clément ein Paar geschenkt, er hatte sie aber nie angezogen: Er sah keinen Sinn darin, auf einen Sack zu hauen, und hielt Boxen für einen Brutalo-Sport. Ich weiß nicht, wer ihm das eingeredet hatte, doch ganz von der Hand zu weisen war es nicht, und ich sah keinen Weg, ihn umzustimmen. Der Junge zog die Handschuhe an, sie passten ihm, er begann um das Leder herumzutänzeln, er musste das in der Glotze gesehen haben, oder es war Instinkt, wer weiß. Sein Vater verschlang ihn mit den Augen, er ließ sich nichts entgehen.
    »Gut«, sagte ich, »du siehst aus wie ein echter Profi. Jetzt schlag zu.«
    Er schlug zwei, drei Mal, aber der Sack muckste nicht, kaum dass die Ketten klirrten. Es schien ihn nicht zu entmutigen. Er machte weiter. Ich holte ein Bier aus dem Kühlschrank, und als ich zurückkam, hieben Vater und Sohn unter großem Gelächter auf den Sack ein wie die Irren. Sie sahen sich zum Verwechseln ähnlich, dünn und schlaksig, blass, kurzes struppiges Haar, zwei Versionen desselben Modells, mit fünfundzwanzig Jahren Abstand. Ich reichte dem Größeren der beiden eine Flasche, er hielt sich die Hüften und schnaufte wie ein Ochse.
    »Haben Sie überlegt, wie es weitergehen soll?«, fragte ich.
    Er trank zwei Schlucke mit verzerrtem Gesicht, er atmete schwer, der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Kleine hatte seinen Rhythmus gefunden, er hatte sich dem Sack intuitiv angepasst, wie nur Kinder es können, und tanzte boxend um ihn herum.
    »Ich möchte Sie hier nämlich nicht lang behalten. Die Bullen sind mir auf den Fersen. Combe kann jeden Augenblick auftauchen. Und außerdem ist es sinnlos. Sie werden nicht weit kommen.«
    Er hörte mir wortlos zu. So sehr ich auch nachdachte, ich sah keinen Ausweg und fürchtete, dass alles nur noch schlimmer wurde: Es war genau die Art Situation, in der man vor lauter Panik die falschen Entscheidungen trifft, in der man nur