Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
ist?«
    In wenigen Sätzen erzählte er von der Entführung, sie schwieg zuerst, ihre Stimme klang dann sehr leise: »Das ist wirklich mies von dir. Wie übel ist das?«
    »Katharina –«
    Auch hier ein Knacken, sie hatte aufgelegt. Nachdenklich, ohne allzu viel Verwunderung, sah er auf das Display, Thomas, geschäftl. stand dort noch zu lesen, bis die Schrift verschwand. – Richtig, Katharina, außergewöhnliche Ereignisse gelten deshalb als außergewöhnlich, weil sie sich nicht in der Norm des Gewohnten bewegen, dachte er. Für das Außergewöhnliche waren in der Regel die Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung zuständig; das Außergewöhnliche erlebte man selbst nicht, zumindest so gut wie gar nicht, vielleicht nur als entfernter Zeitzeuge laut Statistik drei- bis viermal im Leben, aber ansonsten touchierte nichts wirklich die Parameter eines geregelten Lebens. War man nun aber selbst Teil des Außergewöhnlichen, erschien einem der Normalzustand wieder erstrebenswert zu sein, im Grunde stellte man fest, dass es einem im Außergewöhnlichen nicht sonderlich gut gefiel, bestand es doch aus Anstrengungen wie Denken, Entscheiden, Agieren – aus einem bei weitem intensiveren Dasein als gewohnt. An dieser Stelle wurde Bastien wieder klar, dass die Pflege seiner Gewohnheiten ihn als Mensch, der er war, ausmachte, wenn er sich auch nicht unbedingt eingestehen wollte, dass das ein sehr bürgerliches Attribut war. Also verstand er Katharina allzu gut, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Lüge der Unwahrscheinlichkeit der Wahrheit vorzog.
    Er wählte Robs Nummer und ließ das Handy ein Dutzend Mal läuten, es gab keine Antwort; diese Entführung schien nicht gerade auf ein großes Interesse zu stoßen.
    *
    Der letzte Schlag hatte ihn am Hinterkopf getroffen. Die Stelle schmerzte besonders, und er versuchte, sie am Stein hinter sich zu reiben. Seine Arme waren gnädig nach vorne gebunden, auch wenn der Bewegungsspielraum kaum mehr als einige Zentimeter ausmachte, das Gleiche galt für die Füße. Sein Durst war inzwischen unerträglich geworden, aber der Wasserkrug vor ihm stand in unerreichbarer Ferne.
    Der Raum, in dem er saß, stellte nicht gerade ein ausbruchsicheres Verlies dar, nur eine herabhängende Decke trennte ihn von der Außenwelt. Offenbar eine belebte Dorfstraße, er konnte Stimmen hören, Kinderlachen, manchmal ein vorbeifahrendes Auto.
    Das Zimmer war mit Ausnahme eines altertümlichen Gasherdes vollkommen leer; ansonsten lagen einige Teppiche auf dem Boden, darauf bestickte Kissen und ein Würfelspiel. Und es war heiß. Durch eine kleine Luke sah er, wie draußen die Luft vor Hitze flimmerte.
    Nach einer Zeit wurde die Decke zur Seite gezogen, und drei Männer traten ein. Sie trugen die landesübliche Kleidung und sahen ärmlich aus. Einer lächelte ihn an und setzte sich vor seine Füße; er goss einen Becher mit Wasser ein und setzte ihn an seine Lippen, gleichzeitig legte er ihm zwei Tabletten auf die Zunge. »Drink«, kam es aus dem zahnlosen Mund, Thomas trank gierig, das Wasser lief ihm am Hals herunter, er versuchte, es mit der Zunge aufzufangen. Der Mann stellte den Becher weg und versetzte ihm dann eine harte Ohrfeige, die Wange brannte; er schlug noch einmal zu, die anderen lachten.
    Sie saßen nun vor ihm und sahen ihn an. Nach einigen Minuten zog einer eine Pfeife hervor, zündete sie an und rauchte. Der Qualm hing in der Luft und zog sich stechend durch Thomas’ Brust. »Water«, sagte er leise.
    Der Lächelnde stand auf und gab ihm erneut eine Ohrfeige, setzte sich dann wieder zu den anderen. Die drei redeten jetzt laut miteinander; jemand rief von draußen, und ein Junge brachte eine Plastiktüte herein. Man entnahm ihr einige Utensilien. Thomas konnte ein Holzbrett und einen kleinen Bunsenbrenner erkennen; der Rauchende entzündete ihn mit einem Feuerzeug. Er nickte den anderen zu, sie zogen seine Hände nach vorne und spreizten die Finger seiner linken Hand auf dem Holzbrett.
    Thomas sah das Messer in der Hand des Lächelnden.
    Die nächsten Bewegungen schienen nun wie in Zeitlupe stattzufinden, das Messer senkte sich auf seinen kleinen Finger, und aus dem grinsenden Mund waren die Worte for the collection zu hören. Dann spürte er kurz die Berührung mit der Schneide und einen rasenden Schmerz, der sich noch steigerte, als der Rauchende die Flamme des Bunsenbrenners auf die offene Wunde hielt; dessen Blick glich dem eines konzentrierten Metzgers bei der Zerlegung eines

Weitere Kostenlose Bücher