Geh auf Magenta - Roman
Sache, aber es sähe so aus, dass ihr Begleiter, ein Herr Deger, vermisst sei.
»Vermisst?«
»Um genauer zu sein, müssen wir im Moment von einer Entführung ausgehen. Wie gesagt, Ihre Freundin bat uns, Ihnen das mitzuteilen.«
Bastien brauchte eine Zeit, um das Gesagte richtig zu verstehen; er fragte, wie es Mel ging.
»Den Umständen entsprechend. Sie hat Glück gehabt.«
»Was heißt das?«
»Sie war ja dabei und konnte offensichtlich entkommen. Im Moment befindet sie sich in unserer Botschaft in Sanaa. Es geht ihr gut.«
Auf Bastiens Frage hin berichtete Steilmann, was geschehen war, und versah nahezu jeden Satz mit den Bemerkungen soviel wir wissen und soweit wir das einschätzen können . Bastien traute seinen Ohren nicht. »Man hat auf sie geschossen ?«
»Nicht direkt auf sie. Aber zwei Jemeniten sind tot.«
»Und Thomas?«
»Die Lösegeldforderung für Herrn Deger liegt inzwischen der Botschaft vor – das und die ziemlich, sagen wir, lapidaren Umstände seiner Entführung weisen nicht gerade auf Profis hin. Und genau deshalb hätte ich ein paar Fragen, wenn Sie erlauben?«
Seine Fragen betrafen Thomas’ Familie und seinen Freundeskreis, ebenfalls seine Firma, es gebe Einträge auf seinen Namen im Handelsregister.
»Seine Eltern leben nicht mehr, Geschwister hat er nicht«, sagte Bastien. »Freunde hat er nicht wirklich. Wahrscheinlich aber innerhalb der Firma. Sein Teilhaber, zum Beispiel.«
Die Daten der Firma habe er, sagte Steilmann. »Können Sie sonst noch eine Auskunft über Herrn Degers Umfeld machen?«
Irritiert fragte Bastien nach dem Grund, die Antwort kam etwas herablassend, inzwischen sei man an Aktionen dieser Art gewöhnt, es käme eben häufig vor, dass Entführungen vorgetäuscht würden, wegen des Lösegeldes natürlich, oder auch nur, um das Amt zu blamieren. Von daher würde man sich selbstverständlich über die entsprechenden Personen informieren, bevor man etwas unternehme. Im Fall von Herrn Deger sei man schon skeptisch, da es so wenige Informationen gebe. »Wir prüfen nur, das ist reine Routine. Haben Sie in der letzten Zeit etwaige Änderungen bei Herrn Deger festgestellt – hat er sich in irgendeiner Form anders benommen? War er oft auf Reisen, oder hatte er Kontakt mit Unbekannten, zum Beispiel aus dem Jemen oder generell aus Arabien oder Nahost?«
Bastien schwieg einen Moment, Steilmann hakte sofort nach. »Gab es die?«
Bastien sah in das Atelier. Vor ihm der Akt, daneben der Sessel, der Rechner, die Küche, Mels Wasserkocher mit seinen Pinseln darin.
Mel und Thomas im Bett.
Mel und Thomas mit den Kindern.
Mel und Thomas mit seinen Freunden.
Seine Mel und Thomas.
Mel auf Thomas’ Beerdigung.
»Nein«, sagte er dann. »Er hat mit solchen Dingen nichts zu tun.«
»Sie halten irgendeine Form der Radikalisierung bei Herrn Deger für ausgeschlossen? Ich bitte Sie, das genau zu überlegen, auch wenn er Ihr Freund ist. Allein schon, um Schaden von anderen abzuwenden. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie haben recht lange mit Ihrer Antwort gezögert.«
Bastien atmete tief ein: »Hören Sie, er ist mein Freund, das heißt, er war mein Freund, und er hat jetzt ein Verhältnis mit meiner Freundin, deshalb sind sie dort; Flitterwochen, wenn Sie so wollen. Wenn er entführt wurde, dann ist das echt.«
Steilmann schwieg, offenbar schrieb er mit, eine Tastatur war zu hören. Das erkläre natürlich die, wie solle man sagen, etwas delikate Konstellation dieser Reise, aber er hätte sich so etwas schon gedacht.
»Warum haben Sie dann gefragt?«
»Weil wir das müssen.«
Er lachte etwas bitter, die meisten wüssten ja nicht, wie oft so etwas vorkäme und für welche abstrusen Dinge der Steuerzahler so alles aufzukommen habe. Es wäre schon wirklich selten blöd, seine Flitterwochen in einem solchen Land zu verbringen. Genauso gut könne man eine lustige Kreuzfahrt durch die Piratenstraße von Malakka unternehmen oder auch vor der Küste Somalias, manche Leute würden es einfach nicht besser verdienen, das sei schon gemeingefährlich dumm. Meistens seien es diese geistesamputierten Abenteurer-Touristen, die sie dann wieder loseisen müssten. Thomas sei nun wirklich nicht der Hellste, sagte Bastien, aber ein übergelaufener Islamist sei er nicht, sein Gott hieße eher Ferrari.
»Und was machen Sie jetzt?«, fragte er.
Man dürfe es ja nicht sagen, aber diese sogenannten Entführer hätten eine Festnetz-Telefonnummer angegeben und würden um Rückruf bitten.
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