Geh auf Magenta - Roman
sie wüsste schon, damit sollte man ja vorsichtig sein; außerdem müsse er tagsüber richtig ranklotzen, er arbeite gerade an einer neuen Serie, da bräuchte er das Tageslicht. Das mit dem Tageslicht sah sie ein, aber sie würde sich auf jeden Fall freuen, wenn er sich ganz bald wieder melden würde, es gäbe ja auch nicht nur Vergnügungsparks, sie könnten ja auch mal alle zusammen malen. Die Vorstellung, dass Kim mit Farbe um sich spritzend in seinem Atelier herumschreien würde, versetzte Bastien nahezu in Panik. Er versprach, darüber nachzudenken, und legte erleichtert auf.
Ein neuer Blick auf die Kontaktliste. Kirsten. Er fragte sich, weshalb sie letztens nicht gekommen war, und drückte ihre Nummer, nach einigem Klingeln hörte er ihre knappe Stimme: »Ich melde mich gleich.« Dann kam sofort der Freiton. Erstaunt blickte er auf das Telefon, gut, dann nicht , schien das Display ihm zuzuraunen, ist nicht dein Tag heute, oder?
Noch einmal ein kurzes Antippen der Cs, Ds, Gs, Rs und Ws; kurz dachte er an Jeanne, Robs ehemalige Freundin, verwarf die Idee aber wieder; bei ihrem letzten Treffen hatte sie davon gesprochen, ihn gerne zur Zeit ihres Eisprungs wiederzusehen, weil das ja produktiv sei; auch das hatte seinerzeit einen Schweißausbruch verursacht. Wenn da im Anschluss nicht dieses Mitleid gewesen wäre und das Gefühl, sich wie ein Elefant im Porzellanladen der Emotionen zu benehmen.
Die anfängliche Lust auf das Telefonieren nahm jetzt rapide ab, mehr noch, er fragte sich, weshalb er diesen Schwachsinn überhaupt betrieb, verbarg sich hinter all diesen Namen doch ohnehin nur das immergleiche Schema, Mensch sucht Mensch , dazu bedurfte es Energie und Aufwand, also eine blödsinnige Wadenbeißerei in allen Medien, versehen mit den üblichen nice talks über die Kims, Acuns und andere Dinge, die ihn interessierten wie einen Sack Stroh, verbunden mit der Erkenntnis, dass man sich den ganzen Aufwand auch hätte sparen können. Mit einem bitteren bis schlechten Gefühl in der Magengegend bediente er das Suchfeld des Browsers:
Eine Lüge ist eine Aussage, von der der Sender (Lügner) weiß oder vermutet, dass sie unwahr ist, und die mit der Absicht geäußert wird, dass der oder die Empfänger sie trotzdem glauben soll. Eine solche Kommunikation, auch einer nur subjektiven Unwahrheit, hat das Ziel, im Gegenüber einen falschen Eindruck hervorzurufen oder aufrechtzuerhalten.
Das schlechte Gefühl wurde noch schlechter; eine weitere Eingabe mit der Hoffnung auf etwas Trost:
Der Wahrheit werden verschiedene Bedeutungen zugeschrieben, wie Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, einer Tatsache oder einem Sachverhalt, aber auch einer Absicht oder einem bestimmten Sinn bzw. einer normativ als richtig ausgezeichneten Auffassung oder den eigenen Erkenntnissen, Erfahrungen und Überzeugungen. Wahrheit bezeichnet generell eine Übereinstimmungs- bzw. Angleichungsbeziehung zwischen dem Wissen eines erkennenden Subjekts und einem Seienden, auf das sich dieses Wissen bezieht.
Das war kein Trost, im Gegenteil. Er legte das Telefon weg – weit weg, wie er anfangs dachte.
*
Der Vertriebschef hatte sie bereits am vorherigen Tag vorgestellt, Kirsten Degen, Thomas Deger.
Thomas lächelte sie ausgiebig an, die Ähnlichkeit der Namen, das sei schon amüsant, wenn man eines Tages heiraten würde, hätte man ja kaum etwas zu verändern, scherzte er, was Kirsten ebenfalls mit einem hellen Blick quittierte; und überhaupt, man habe sich doch schon mal gesehen, ihr Gesicht käme ihm so bekannt vor. Aber auch nach einigem Rätseln kam er nicht darauf, anyway, jetzt ginge es ja auch um etwas, leider, bei weitem Profaneres, die Prospekte eben.
Heute saßen sie wieder beisammen und gingen noch einmal die Daten durch, Thomas wirkte sehr konzentriert, Kirsten mochte so etwas. Wenn sie etwas nicht ausstehen konnte, waren es fahrige Männer, die sofort nach ihren Beinen schielten, denen man dann immer alles dreimal erklären musste, weil sie gerade dabei waren, sie vor ihrem inneren Auge sorgsam auszuziehen. Deger aber tat das nicht, nur ab und zu ließ er einen Blick durch den Raum schweifen, so, als stelle er sich den fertigen Prospekt bereits in seiner ganzen Schönheit vor und stehe gerade persönlich in der Druckerei und würde Blatt für Blatt sorgsam von Hand heften. Das Volumen wurde besprochen, eine enorme Auflage, ebenso die Lieferbedingungen und der finanzielle Rahmen, das klang in diesem Metier einfach besser als
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