Geh auf Magenta - Roman
wie solle er sagen, wirklich erfüllen würde? Das sei schon OK, sagte sie, er würde sich wirklich rührend um sie kümmern, ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, schon bevor sie überhaupt daran gedacht hätte, nein, das wäre schon gut, allein schon seine perfekten Manieren. Sie wären vorgestern auf einem Empfang in der türkischen Botschaft gewesen, das hätte er mal sehen sollen, unglaublich galant alles, Smoking, Abendgarderobe, irre. Sie würde demnächst auch umziehen, in die Innenstadt, Acun hätte ihr dort eine zauberhafte kleine Wohnung gekauft, ein Penthouse im achten Stock, mit Blick über ganz Mitte. Er müsse sie dort unbedingt einmal besuchen kommen, der Ausblick sei wirklich umwerfend. Bastien versprach, sie Anfang des Jahres wieder anzurufen, und wünschte ihr viel Glück. Ein Druck auf die Taste des Telefons.
Ihm fiel Valerie ein. Bevor er geflogen war, hatte sie ihn angerufen, was denn mal mit einem Wein wäre, man hätte sich ja schon hundert Ewigkeiten nicht mehr gesehen, sie würde auch gerne mal wieder unter Leute gehen (sie war seit einem Jahr alleinerziehend). Er wählte ihre Nummer, ein freudiges Hallo! klang sofort an sein Ohr; sie schien sich wirklich über seinen Anruf zu freuen, fragte nach der Reise und ob alles bestens sei, sie müssten sich ganz schnell sehen. Er berichtete kurz von Thailand, von seiner Trennung, was sie mit bedauernden Kommentaren bedachte. Er meinte, einen leichten Unterton in ihrer Stimme zu vernehmen, interessiert und etwas weniger bedauernd, als sie vorgab. Er schlug einige Abende vor, an denen sie etwas machen könnten, zum Beispiel ins Kino gehen. Absolut, das sollten sie tun, sie müsse nur überlegen, wie sie das mit dem Kleinen hinbekäme, sie würde sich sofort wieder melden.
Valerie war kompliziert, nicht zuletzt wegen ihres Sohnes, Kim, sechs Jahre alt, den er für ein notorisches Folterinstrument hielt. Es schien, als mache es ihm eine ganz besondere Freude, immer dann in wütende Schreikrämpfe zu verfallen, wenn seine Mutter telefonierte oder sich ausnahmsweise in irgendeiner Form um andere Menschen als ihn kümmerte. Sie hatte den Kleinen einige Male zu seinen Vernissagen mitgebracht, was jedes Mal in ein Such-das-Kind-Chaos mündete, in das alle Besucher mit eingebunden wurden. Und sie neigte dazu, fast nur noch von Kim und seinen süßen Taten zu berichten. Dass diese, besonders gegenüber anderen Kindern, öfter auch handgreiflich ausfielen, übersah sie dabei gerne. So drehte sich ihr Leben selten um ihre eigenen Belange, auch nicht um einen möglichen neuen Lebensgefährten, ein solcher hätte sich erst einmal gegen Kim durchsetzen müssen, was schlicht nicht vorstellbar war.
Sie rief einige Minuten später wieder an und sagte, dass es wirklich mit dem Teufel zugehe, aber ihre Mutter wäre die ganze Woche über in Westdeutschland, da sei nichts zu machen. Und der letzte Babysitter hätte den ganzen Abend lang Joints geraucht, und das in Kims Zimmer. Als sie dann zurückkam, wäre der Kleine richtig high gewesen, das würde sie sich nie verzeihen. Aber was wäre denn nachmittags? Sie könnten dann zu dritt etwas unternehmen. Bastien stellte sich vor, wie er und Valerie auf dem Spielplatz säßen, Klein-Kim ihn am Ärmel zupfend zur Schaukel ziehen würde oder wie er ihm später auf dem Weihnachtsmarkt eine Zuckerwatte kaufen würde. Des Weiteren malte er sich in aller Kürze aus, wie ein Zusammenleben mit Valerie zu verlaufen hatte; morgens das frühe Aufstehen, um Kim in den Kindergarten zu bringen, mittags dann das Abholen, nachmittags das klassische Bespaßungsprogramm mit Eisenbahnklötze aufbauen, ein Pirates-of-the-Caribbean -Puzzle legen oder die neue Hüpfburg aufblasen, abends dann die Gutenachtgeschichte vorlesen, nicht unter einer halben Stunde lang, gegen später endlich der zufriedene Blick von Valerie, wie toll er das denn machen würde und dass das Leben mit ihm wirklich wundervoll sei.
»Bastien?«, fragte sie nach ein paar Sekunden, und er entschuldigte sich, der Schnee da draußen sähe einfach wunderschön aus, zum Wegschmelzen. Sie lachte, er sei wirklich der größte Träumer, den sie kennen würde, einfach unglaublich. Sie könnten ja am Wochenende an die Spree bei Köpenick fahren, da gäbe es so einen neuen Vergnügungspark, sogar mit einer kindgerechten Achterbahn, das könnte lustig werden. Er brachte ihr schonend bei, dass Achterbahnfahren derzeit so überhaupt nicht sein Ding sei, wegen einiger Magenprobleme,
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