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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Freund, das sei schon unterirdisch, damit könne es niemandem gutgehen. Sie habe sich einmal in solch einer Situation eine Liste geschrieben, mit Punkten, Verhaltensregeln, es wären so fünf, sechs gewesen, das würde wirklich helfen. In diesem Moment mochte er Kirsten wirklich, sie bewies Größe, indem sie ihm jetzt keine Vorwürfe zu damals machte, schließlich hätte sie über seinen Kummer ja auch so etwas wie Schadenfreude verbreiten können, das hätte er ihr nicht einmal übelnehmen können.
    »Hab jetzt bloß kein schlechtes Gewissen«, lächelte sie. »Und ich mach dir schon nicht die Hölle heiß, keine Angst.«
    Das könne sie aber ruhig, betonte Bastien, und Angst hätte er nun wirklich nicht, im Gegenteil, sie müssten sich viel öfter sehen. Er spürte ein Kribbeln am Unterarm. »Wir können auch gleich noch zu mir ins Atelier«, fügte er dann leise hinzu.
    Sie strich ihm wiederholt über den Mantel, etwas fester als zuvor, die bekannte Gänsehaut überzog jetzt ihren ganzen Körper, und ihre Gedanken jagten schnell. Es gab eine instinktive Nische der Vorsicht; nach einem Ja würde seine gerade gewonnene Achtung vor ihr wieder sinken. Also kam ein unsicheres Nein über ihre Lippen und die Begründung, dass morgen ja ein harter Tag bevorstünde. Was stimmte. Um neun der Termin beim Drucker. Mit Thomas Deger. Und den wollte sie auf keinen Fall übernächtigt erleben.
    Bastien blickte sie enttäuscht an, das sei wirklich schade, es gäbe ja noch so einiges zu sagen; er legte seinen Arm um ihre Schultern. Da habe er recht, aber nicht mehr heute, sagte sie. »Bringst du mich noch?«
    Etwas zögerlich nahm er ihren Arm, und sie gingen durch das Gedränge die Treppen hinunter. Es kamen weitere Besucher herein, es hatte wieder zu schneien begonnen, ein schneidender Wind trieb die Schneeflocken durch den Innenhof. Er drückte sie eng an sich. »Wie kommst du zurück?«, fragte er in traurigem Tonfall, den sie noch unsicherer als zuvor überhörte: »Mit dem Taxi zum Alex. Die S-Bahn geht ja noch. Wir sehen uns?«
    Er nickte, klar, schon ganz bald. Er könne zum Beispiel morgen Abend, sie könnten ja –
    »Lass uns nächste Woche sagen, ja? Viel Spaß, und grüß deine Freunde da oben.«
    Sie löste sich aus seinem Arm und ging zur Straße. Er sah ihr weiter nach, schließlich, kurz vor der Straße, drehte sie sich um und winkte ihm zu. Er hob die Hand, und ein eigenartiges Glücksgefühl durchströmte ihn; sie hieß Kirsten, dachte er, KIRSTEN, Bastien und Kirsten , das klang gut; die Namen großer Liebespaare klangen immer gut – Hero und Leander, Abaelard und Heloise, Philemon und Baucis, Samson und Delilah, Troilus und Cressida, Burton und Taylor; gleich am Montag würde er sie anrufen und dann nach Ahrensfelde fahren, so wie früher; eine Beziehung braucht Geschichte, so sagte man doch.
    Von oben war plötzlich ein dumpfer Knall zu hören, dazu Geschrei und helle Stimmen. Besucher kamen aufgelöst die Treppen heruntergerannt, es musste etwas passiert sein. Die Antwort folgte quasi auf dem Fuße, rote Soße, die sich in zähen Lachen über die Treppe ergoss und nach unten strömte; in ihr versuchten Hunderte Personen in einer Mixtur aus Verzweiflung und Lächerlichkeit rutschend ihren Weg nach draußen zu finden. Die Luft roch nach Fäulnis, und man sah zu, möglichst weit von dieser stinkenden Brühe wegzukommen. Bastien blickte besorgt in die marmeladenbesudelte Menge, die mit ihren rotverkleisterten Gesichtern einem Vampir-Film entsprungen sein könnte. Schließlich sah er Rob und Bernd und erreichte die beiden, vollkommen außer Atem; das Ding, dieser Glasraum, sei einfach in sich zusammengebrochen, von jetzt auf gleich, und die ganze Sauerei wäre da rausgespritzt; nur gut, dass das Glas nicht auch noch durch die Gegend geflogen sei, keuchte Rob, und überhaupt, wo er denn geblieben wäre, er hätte ihn überall gesucht und schon fast gedacht, dass er in dem Dreck ersoffen sei. Im Innenhof standen jetzt die Leidensgenossen dicht gedrängt, die Stimmung wechselte zwischen Wut und Belustigung, das Letztere nicht zu Unrecht, denn die Besudelten sahen im Schnee nun aus wie Geteerte und Gefederte, hatten sich doch dicke Schneeflocken auf Köpfe und Schultern gelegt. Rob, dem sein klebriger Überzug auf die Nerven ging, wollte schnellstens nach Hause. Er schmiss seine tropfende Jacke in den Hof, und Bastien teilte brüderlich eine Hälfte seines Mantels mit ihm; Schulter an Schulter machten sie sich auf

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