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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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schien aber weiterhin still und starr dort zu stehen, obwohl die Tiere jeden Zentimeter ihres Körpers bedeckten und flink über sie hinwegkrabbelten; die Röhre war bis zu einer Höhe von einem Meter völlig mit ihnen angefüllt. Von oben wurde ein Spot gesetzt, der das Szenario in ein tiefes Blau, dann wieder in ein helles Orange tauchte; nach einem lauten japanischen Gongschlag erfolgte das Schwarzlicht, das aus den weißen Mäusen nun eine Art visuelle Mini-Aliens machte, was zahlreiche Besucher aus der Galerie trieb, auch Bastien, Rob und Kirsten schlossen sich an. Im Stimmengewirr hielt ein Paar fest, dass diese Interpretation des Fukushima-Traumas ja mehr als eigenwillig sei, sie habe damit wohl auf die Seelen der toten Erdbebenopfer angespielt, aber es sei ja schon überzogen, wenn dafür dann Mäuse sterben würden, man hätte genau sehen können, dass viele der zuerst gefallenen Tiere von den anderen zerquetscht worden seien, das sei schon irgendwie fies. Bastiens Mitleid mit den Mäusen hielt sich in Grenzen, und er fragte Rob, wann denn nun diese Gelee-Sache steigen würde. Am Eingang der nächsten Galerie trafen sie Jess, einen von Robs Kommilitonen aus seiner UdK -Zeit, der ziemlich aufgelöst wirkte; heute sei ja mal wieder richtig etwas los, solche Performance-Tage wären einfach wieder in und absolut geil, überhaupt sei das viel näher am Menschen als diese komische Konzeptkunst, er denke jetzt daran, auch in dieser Richtung zu arbeiten. In dem schwarzen Kubus, der vor ihnen im Raum stand, würde ein Künstler sitzen, und das schon seit drei Tagen, er hätte das von ihm selbst gehört, aber unter absoluter Geheimhaltung. Kirsten fragte, weshalb das geheim sei, Jess gab zur Antwort, dass das eben die Performance ausmache; die Besucher sähen nur diesen schwarzen Kubus, aber keiner wüsste, dass jemand drin sei, nur der Galerist und er. Wenn man es sagen würde, wäre ja das ganze Geheimnis um den Kubus verloren. Sie schien sich damit nicht zufriedengeben zu wollen, es sei doch vollkommen schwachsinnig, wenn jemand als lebendes Kunstwerk in diesem Ding da säße, und keiner wüsste es, denn eben dieses Wissen würde das Verstehen doch überhaupt erst voraussetzen. Im Gegenteil, sagte Jess, es ginge ja darum, dass das Wissen um eine Sache bewusst ausgeschaltet werden solle, erst so könne man feststellen, ob möglicherweise transzendentale Kräfte zwischen dem versteckten Künstler und dem ahnungslosen Besucher freigesetzt werden würden, zum Beispiel wäre es doch sehr interessant, ob man diesen Kubus anders wahrnehmen würde, wenn man dieses Wissen über seinen vermeintlichen Inhalt hätte.
    »Vermeintlich?«, fragte Kirsten. »Ich dachte, der ist da drin?«
    Jess lächelte, genau, da könne sie sehen, dass die Wahrnehmung eben nicht so einfach funktionieren würde, zumindest theoretisch hätte sie ihm ja gar nicht glauben müssen; es wäre doch viel sinniger, sich einfach auf die eigenen Ahnungen und Gefühle zu verlassen als auf die Aussagen anderer. So gesehen könne man die Aktion auch durchaus politisch verstehen, als eine bittere Ironie an die Leichtgläubigkeit der Menschen, allesamt Schafe auf den Weiden eines Stalin, eines Hitler, eines Saddam und sonst wem. Das Verhängnis läge doch immer zuerst in einem selbst, das sei hier die Lehre. Kirsten sah misstrauisch auf den Kubus und dann zu Jess, von transzendental könne bei diesem Krach um sie herum nicht wirklich die Rede sein, und dieses Ding sähe auch nach nichts aus, ob jetzt einer drinsäße oder auch nicht. Aber wie lange hätte er das noch vor? Eben so lange, bis jemand mit ihm kommunizieren würde, natürlich nonverbal, dann sei die Aktion erfolgreich abgeschlossen, das könne aber noch Tage dauern.
    »Und die vergessen ihn darin auch nicht?«, fragte Kirsten. »Ich meine, wenn der Galerist gegen einen Baum fährt oder so etwas. Kann er denn alleine raus?«
    Natürlich könne er das nicht, der Kubus sei ja fest auf dem Boden verschraubt, sagte Jess, aber ein bisschen gefährlich wäre das schon, richtig, zumal der Galerist wirklich borderline sei, der hätte sich einmal vollkommen nackt in so einen Streuselkuchen in einer Bäckerei geschmissen und onaniert, nur so, und wäre manchmal schon auf Crystal, nein, eigentlich immer. Einmal hätte er auch nur einen leeren Raum ausgestellt und dann um acht abrupt das Licht ausgemacht, alle hätten vollkommen im Dunkeln gestanden, wären dann später übereinander gefallen und sich fast

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