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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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Filmindustrie.
    »Aber eine, die man auch so erwarten würde«, entgegnete Bastien. »Wenn ich jetzt ein absoluter Idiot wäre, und ein anderer Idiot würde mir sagen, dass ich eine Verarschung der idiotischen Filmindustrie schreiben sollte, dann würde ich genau das schreiben.«
    Sie sah ihn etwas vorsichtig von der Seite an und schwieg, was Bastien an seinen heutigen Vorsatz erinnerte, einfach einmal Spaß zu haben und alles Negative beiseitezulassen; schnell fügte er hinzu, dass Ravenhill ja eigentlich ein guter Autor sei, zum Beispiel Shoppen & Ficken wäre ja richtig gut gewesen. Im Übrigen könnten sie auch mal öfter ins Theater gehen, mit ihr würde das Spaß machen, ganz sicher. Und überhaupt, er hätte sie schon vermisst in den letzten Monaten – wie lange wäre das schon her, ihr letztes Treffen? Er überlegte, und sie hütete sich davor, ihm die genaue Zeit zu nennen, und schob stattdessen eine Hand unter seinen Mantel, kalt sei es, und er müsse jetzt erst einmal von seiner Trennung erzählen, woraufhin sie nach draußen gingen. Kirsten winkte einem Taxi, im Fond berichtete sie von ihren Überstunden, dem launischen Vorstand, dem andauernden Druck aus den USA, die würden sich da wohl so kleine europäische Robotermännchen vorstellen, die man nur ab und zu mal aufziehen müsse, zum Teil sei das richtig menschenverachtend, so etwas eben. Das Taxi bog dann in die Leipziger Straße ein, die Galerie befand sich in Mitte.
    Nach einigen Minuten, in denen er ihr in knappen Worten noch einmal von seiner Trennung erzählt hatte, stoppten sie schließlich, und er legte seinen Arm um ihre Schultern, das sei wirklich schön mit ihr heute, jetzt also ran an den Speck. Frazer war eine von rund einem Dutzend Galerien, die sich in dem Gebäude befanden; die Vernissagen fanden simultan statt, so dass bereits im Innenhof ein reges Gedränge herrschte. Hornbrillen mit dicken Bügeln schienen in Mode zu sein; jemand trug einen Stahlhelm mit aufmontierter Taschenlampe, eine Gruppe Kunststudenten fiel durch ihre nackten Hinterteile auf; wie immer balgte man sich um die wertvolle Ressource Aufmerksamkeit.
    Rob kam ihnen bereits im Treppenhaus entgegen, und Bastien fiel ein, dass dieser Kirsten noch gar nicht kannte, hatte er sie schließlich in den letzten Jahren in Ahrensfelde unter Verschluss gehalten und sie aus Rücksicht auf Mel nirgendwo mit hingenommen. Rob versuchte, Kirsten im Irgendwo-schon-mal-Gesehen zu orten, was nicht ganz gelang, auf jeden Fall sagte dieser leicht bewundernde Blick: Wo hast du die denn schon wieder her? Auch Kirsten schien interessiert, war sie doch noch nie einem Freund Bastiens begegnet, das war absolutes Neuland.
    Gemeinsam stiegen sie die Treppen hoch, stoppten dann in einer Galerie in der ersten Etage. Es bahnte sich eine Performance an, und man rief zu einer totalen Ruhe bitte auf. Etwas zäh ebbte das Geplapper ab, bis nur noch hier und da gehüstelt wurde, auch das legte sich, und man konnte nun in der gewünschten Stille auf das Szenario in der Mitte des Raumes schauen. In einer durchsichtigen Plexiglasröhre stand eine nackte Frau, eine Asiatin (die Künstlerin) in unbewegter Pose. Die Arme lagen eng am Körper an, die Beine standen kerzengerade, der Kopf war gesenkt, ihre Haltung mutete indisch oder auch biblisch an; ihr Körper schien in der Erwartung von etwas Großem zu verharren, das zwangläufig und mit einem Paukenschlag eintreten musste, es fragte sich nur, wann.
    Ein leises Knacken, alle horchten auf, der erwartete Moment, dass etwas passieren würde, schien sich zu nähern, dann herrschte jedoch wieder Stille. Weitere Minuten vergingen. Man schaute an die Decke, rieb sich die Hände, blickte sich mit zunehmender Nervosität um, gab es in den anderen Galerien doch noch einiges zu sehen und war man nicht zuletzt hier, um reichlich gesehen zu werden. Schließlich schien die Künstlerin Erbarmen zu haben, ein weiteres Knacken ertönte, noch eins, dann ein sehr lautes; der Deckel der Röhre öffnete sich wie von Zauberhand, und Hunderte, wohl eher an die tausend weiße Mäuse fielen kopfunter in die Röhre und belagerten den Körper der Frau. Nun erklärte sich auch der Sinn der Matratze, auf der sie stand, immerhin betrug die Fallhöhe für die armen Tiere an die vier Meter. Blitzschnell krochen sie nun am Innern der Röhre auf und ab und sorgten für einiges Geschrei. Immer noch fielen Mäuse von der Decke, die Künstlerin war jetzt kaum mehr zwischen ihnen zu erkennen, sie

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