Geh Ich Auf Meine Hochzeit
war noch nicht fertig.
»Mir ist nicht ganz klar, was du mit dieser Art von Verhalten erreichen möchtest, Olivia«, äußerte er mit schneidender Stimme. »Ich will nur dein Bestes, aber du legst es darauf an, alles ins Negative zu verdrehen. Vielleicht gehört das bei eurer Familie einfach dazu. Deine Mutter kann den Mund nicht öffnen, ohne jemanden zu verletzen, und du schlägst jetzt denselben Weg ein.«
Sie sackte in sich zusammen. Da sie ohnehin ihre Meinung niemals laut aussprach, war sie es nicht gewohnt, ihrer Wut auf Stephen Ausdruck zu verleihen. Seit so langem hatte sie schon etwas sagen wollen, doch weil der Spiegel ihr bei ihren Übungen von Wutausbrüchen niemals geantwortet hatte, hatte sie nicht bedacht, dass er reagieren würde und sie nicht einfach nur in ein Vakuum hineinsprach.
Und wie Stephen reagierte! Wenn er wütend war, hatte seine Eiseskälte die Kraft, sein Gegenüber zu zerstören. Sie zerlegte Olivias weichen Kern, wie ein Schwert ein Federkissen zerfetzen würde.
»Ich wollte damit nicht sagen...«, fing sie heiser an. Eigentlich lag ihr auf der Zunge, sie wollte lediglich selbst darüber bestimmen, was sie zu dieser verdammten Hochzeit tragen würde.
Aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Du weißt genau, was du hast sagen wollen, Olivia«, erwiderte er kühl. »Kleide dich, wie du willst! Ihr de Veres macht ja sowieso immer das, was ihr euch in den Kopf gesetzt habt.«
Er knallte die Tür hinter sich zu. Sie sank auf das Bett und war zu geschockt, um zu weinen. Begann sie tatsächlich ihrer Mutter zu ähneln? Ihre größte Angst war die, so gemein und gehässig wie die Frau zu werden, der sie so gerne etwas Zuneigung entgegengebracht hätte.
Man war verpflichtet, seine Mutter zu lieben, doch manchmal fiel es wirklich schwer. Sie selbst bemühte sich, anders zu sein, entgegenkommend und freundlich - und nicht unnachgiebig und egoistisch wie Sybil.
Vielleicht machte sie sich etwas vor, wenn sie persönlich sich für entgegenkommend hielt. Am Ende war sie tatsächlich eine Hexe... eine fiese Hexe, die einsam und ungeliebt enden würde, nachdem sie ihren Mann und ihre Tochter von sich weggeekelt hatte.
Tief erschüttert und kreidebleich saß Olivia auf dem ungemachten Bett und kratzte nervös am Laken, wobei sich kleine Baumwollkügelchen bildeten.
Zehn Minuten später musste sie sich aufraffen. Draußen hörte sie Stephen umherlaufen und konnte seine rasende Wut fast körperlich spüren. Was hatte sie nur angerichtet? Warum hatte sie überhaupt etwas gesagt? Ihr Wutausbruch hatte nichts gelöst, im Gegenteil, er hatte die Lage nur verschlimmert. Jetzt würde Stephen den ganzen Tag über grollen.
Bei der Vorstellung eines ganzen Tages in diesem Umgangston dröhnte ihr der Kopf. Wie sollte sie das durchstehen?
Dann kam ihr ein Gedanke - die Tabletten, die Stephen für seinen Rücken verschrieben bekommen hatte. Valium. Der Arzt hatte sowohl ein Muskelentspannungsmittel als auch ein Schmerzmittel verschrieben, als Stephen einen seiner seltenen, aber schmerzhaften Krämpfe bekommen hatte. Natürlich hatte er von dem Valium nichts genommen, hatte es vorgezogen zu leiden - wenn auch nicht gerade lautlos.
Die kleine Schachtel stand immer noch randvoll in seinem Teil des Badezimmerschrankes. Sie nahm eine Tablette heraus und betrachtete sie. Fünf Milligramm. Sie spülte sie mit etwas kaltem Wasser hinunter und wollte die Schachtel gerade wieder zurückstellen, als sie es sich anders überlegte. Sie holte noch zwei Tabletten für später heraus. Besser auf Nummer Sicher gehen, als hinterher allem hilflos ausgeliefert zu sein...
Und jetzt saß Olivia leicht betäubt neben ihrem aufgebrachten Ehemann und hörte dem Priester beim Verlesen der heiligen Sakramente zu.
Sie schloss die Augen und versuchte seine Stimme auszuschalten. Lieber machte sie sich keine Gedanken über den Zustand ihrer eigenen Ehe. Mal abgesehen davon, dachte sie leicht verbissen, sprach der Priester wohl kaum aus eigener Erfahrung. Was wusste der schon über Familienstreite und die bitteren Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau? Wenn er mit jemand so Schwierigem wie Stephen verheiratet oder befreundet wäre, würde er möglicherweise nicht so erpicht darauf sein, die Liebe in diese allgemeinen und verklärenden Worte zu kleiden.
Vor ihr saß Evie, eine kleine, aufrechte Person in Blau. Während ihr Vater getraut wurde, glich sie einer Marmorstatue.
Olivia dachte bei sich, dass es ihr vollkommen
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