Geh Ich Auf Meine Hochzeit
schlichter dunkelblauer Hosenanzug, den sie mit einem Oberteil aus Seidenstrick kombinieren wollte. Er war sehr schlicht, und zwar deshalb, weil sie Vida nicht übertrumpfen wollte. Ganz abgesehen davon würde sie sich ohnehin am liebsten in irgendeinen Winkel verkriechen.
»Darin wirkst du wie eine unscheinbare Maus. Das ist viel zu langweilig, viel zu dumpf«, giftete Stephen, während er den Anzug auf Armeslänge vom Körper entfernt hielt, als ob er ansteckend sei. »Zieh dein weißes Wollkleid mit der schwarzen Jacke an! Das hast du noch nie getragen. Es hat mich in London ein Vermögen gekostet.«
Das Kleid war streng geometrisch und recht auffällig - es würde sie aus der Menge hervorstechen lassen, als ob eine Aufschrift »Sehr teuer bei Harvey Nichols erstanden« um ihre Gestalt blitzte. Außerdem war es kurz und zeigte viel zu viel Bein. Und es war weiß, Himmel! Weiß konnte man unmöglich zu einer Hochzeit tragen, das wäre der Braut gegenüber nicht fair.
»Stephen«, begann sie. »Ich kann das wirklich nicht anziehen ...«
Aber er ließ sie nicht ausreden. Er war es gewohnt, seinen Willen unwidersprochen durchzusetzen, und es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass seine Frau seiner Kleiderwahl möglicherweise nicht zustimmte.
»Olivia, zieh es an! Du hast doch gar keine Ahnung, oder?«
Er drehte sich auf dem Absatz um, überzeugt davon, dass die Sache nun erledigt sei. Olivia würde das tun, was er angeordnet hatte - das tat sie schließlich immer. Es war die zurechtweisende Art, diese »Damit-ist-die-Diskussion-beendet«-Attitüde, die Olivia aus der Bahn warf.
Unter normalen Umständen - normal hieß, Stephen um jeden Preis zu befriedigen - hätte sie gelächelt und nichts gesagt. So wie sie es Hunderte von Malen zuvor getan hatte, wenn Stephen brüllte, weil der Tee merkwürdig schmeckte oder wenn sie einen Orangensaft gekauft hatte, der ihm nicht behagte, oder, noch schlimmer, wenn sie sein Auto während seiner Abwesenheit in der falschen Werkstatt hatte reparieren lassen.
Doch an dem Morgen von Andrew Frasers Hochzeit, als sie ihr Bestes tat, ihren Mann bei Laune zu halten, damit das Barometer nicht in arktische Bereiche rutschte, drehte irgendetwas in Olivia MacKenzie durch. Vielleicht weil sie an Cheryl Dennis‘ letzte Boshaftigkeit dachte, bei der sie laut Witze gerissen und während der gesamten Doppelstunde Papierflugzeuge durch die Luft hatte fliegen lassen und Olivias Versuche, sie zum Schweigen zu bringen, einfach ignoriert hatte. Oder vielleicht war sie auch von ihrem eigenen Missmut erschöpft, ihr Blutzucker war in den Keller gesackt, und sie bekam keinen Bissen herunter. Oder sie hatte ihren dominanten Gatten ganz einfach satt.
Sie knallte die Tür zu, damit Sasha sie nicht hören konnte und drehte sich mit vor Wut blitzenden Augen zu ihm um.
»Wirst du jemals aufhören, mir vorzuschreiben, was ich zu tun habe, oder werden wir so bis an unser Lebensende weiterleben - dass du mich ganz am Schluss anbrüllst, weil ich an der falschen Stelle oder zum falschen Zeitpunkt gestorben bin oder es sonst in irgendeiner Weise nicht in deine Pläne gepasst hat?«
Schockiert rang er nach Luft. Einen kurzen, triumphierenden Augenblick lang entdeckte Olivia eine Mischung aus Erstaunen und Verwirrung in seinen Zügen. Seine dunklen Augen waren weit aufgerissen, ebenso sein Mund.
Sie atmete schwer, selbst überrascht, dass sie überhaupt etwas gesagt hatte. Doch konnte sie nicht aufhören, es drängte sie zu mehr.
»Ich habe es absolut satt, Stephen! Ich habe es satt, von dir wie ein zurückgebliebenes Kind behandelt zu werden, das sich zu nichts eine eigene Meinung bilden kann! Du hältst mich für eine Idiotin. Aber die bin ich nicht!«
In Schwindel erregendem Tempo fasste er sich wieder und verwandelte ihren Triumph in einen Scherbenhaufen.
»Mein Gott, Olivia, du wirst genau wie deine Mutter«, sagte er mit vor Ekel verzogenen Lippen. »Hysterisch und keifend, wie ein religiöser Fanatiker! Das hätte ich nie und nimmer von dir gedacht. Du bist nicht in der Lage, Sasha eine gute Mutter zu sein. Willst du sie denn genauso zerstören, wie deine Mutter dich mit ihren lächerlichen Wutausbrüchen zerstört hat?«
Völlig entgeistert fixierte Olivia ihn. Sie war ihrer Mutter doch überhaupt nicht ähnlich, oder etwa doch? Und Sasha würde sie niemals verletzen. Sie liebte ihre Tochter, ihren kleinen Augapfel. Nie und nimmer würde sie sich etwas erlauben, was Sasha wehtun könnte.
Stephen
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