Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Richtige sagt. Aber als Person bin ich ihm vollkommen gleichgültig. Es ist, als ob ich gar nicht existieren würde - ich bin einfach nur noch ein Ding in seinem Leben. Wie ein Auto oder eine Wohnung oder der allerneueste Laptop. Ich hasse das alles.« Sie hielt inne, und Tränen rannen ihr über die Wangen. »Mittlerweile wehre ich mich auch nicht mehr«, fuhr sie fort. »Ich lasse ihn in dem Glauben, alles wäre in Ordnung, aber innerlich hasse ich ihn manchmal. Deswegen bin ich auch zu den Probeaufnahmen gegangen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich etwas auf die Beine stellen kann und keine dumme Gans bin.«
»Du bist nicht dumm!«, fuhr Evie auf und legte die Arme um Olivia.
»Aber ich fühle mich so«, schluchzte sie. »Dumm und unnütz. Ich kann nicht einmal meine Schulklassen ordentlich unterrichten, ich kann überhaupt gar nichts. Warum nimmst du da an, dass mir das hier gelingen wird?«
Während sie sich an der Schulter ihrer Freundin ausweinte, hielt Evie sie fest umarmt und wünschte sich, sie besser trösten zu können. Aber es gab nichts zu sagen oder zu tun, abgesehen von »Ich habe es immer schon geahnt«, was wiederum nur der halben Wahrheit entspräche.
Allerdings hatte Evie Stephen niemals wirklich gemocht. Sie misstraute seiner forschen Selbstsicherheit und konnte seine Art, Olivia zu behandeln, nicht ausstehen. Von Anfang an hatte er sie dominiert und sich ihr gegenüber besitzergreifend verhalten. Manche lächelten zustimmend, wenn er sie von der anderen Seite des Zimmers aus ins Visier nahm, doch Evie rümpfte angewidert die Nase. Ein Mann, der seiner Frau vertraute und sie liebte, starrte sie nicht wie ein Bewährungshelfer an, der eine Gefangene während des Freigangs beobachtet. Doch genauso betrachtete Stephen Olivia.
Evie hatte nichts von dem laut ausgesprochen. Die Frage, ob sie es sich auch wirklich gut überlegt habe, hatte sie nie gestellt - obwohl sie für ihre direkte Art berüchtigt war. Olivia schien damals so in ihn verliebt zu sein! Und Evie, die immer noch unter dem Tod von Tony litt, hatte sich auch nicht gerade für eine Sachverständige von Partnerschaften gehalten und somit ihre Vorbehalte verschwiegen. Danach hatte sie ihre Freundin oft beobachtet und geargwöhnt, dass die Märchenhochzeit doch nicht so märchenhaft war.
Mit den Jahren gelangte Evie jedoch zu der Überzeugung, dass Stephen und Olivia glücklich miteinander waren. Einmal mehr bestätigte sich, dass man wohl niemals wusste, was sich hinter verschlossenen Türen abspielte.
»Möchtest du darüber reden?«, fragte sie jetzt. »Bleib doch zum Abendessen, dann haben wir Zeit. Jetzt kannst du ohnehin nicht nach Hause gehen. Du musst erst einmal wieder deine Seele freibekommen.«
Olivia setzte sich auf und wischte sich das tränenverschmierte Gesicht ab. »Nein, ich kann nicht, Evie. Danke für das Angebot, aber ich muss jetzt wirklich gehen.« Sie riss sich sichtlich zusammen und setzte wieder ihre gewohnte gelassene Miene auf.
»Olivia«, sagte Evie mit Nachdruck. »Raus damit! Das geht nun schon seit Jahren so, und du hast mir niemals etwas erzählt. Erleichtere doch endlich mal dein Herz«, drängte sie. »Das muss sein, sonst wirst du verrückt.«
Also ließ Olivia die Fassade fallen. Ihr schönes Gesicht war augenblicklich zerfurcht, die Maske verschwunden, stattdessen zeigte es nichts als Schmerz. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihre Freundin an.
»Ach, Liwy«, sagte Evie leise. »So kannst du doch nicht weitermachen.«
»Was denn sonst?«, schniefte Olivia. »Ihn verlassen? Behalte die Tatsachen im Auge, Evie. Ich komme kaum mit ihm in der Welt klar, wie soll ich es dann ohne ihn schaffen?«
»Du könntest wieder dein eigenes altes Selbst sein, der Mensch, der du vor Stephen gewesen bist.«
Mit einem Taschentuch trocknete Olivia sich neuerliche Tränen. »Ich weiß nicht mehr, wer ich damals gewesen bin«, sagte sie tonlos. »Und ich weiß nicht, wer ich heute bin. Auf der Hochzeit habe ich zu Max gesagt, dass mich Stephen gar nicht mehr als Person wahrnimmt.« Sie lachte kurz auf. »Das trifft es nicht ganz. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Da kann ich es wohl kaum meinem Mann verübeln, wenn er es auch nicht weiß, oder?«
»Ich möchte dir helfen«, bot Evie ernst an.
Olivia zuckte mit den Schultern. »Du kannst mir nicht helfen, nicht wirklich jedenfalls. Das muss ich alleine schaffen ...«
»Bitte, Liwy, lass mich nicht außen vor... wo ich doch deine Freundin bin«, unterbrach
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