Geh Ich Auf Meine Hochzeit
nicht erwachsen werden ließen, lebten in der schlimmsten aller Traumwelten, lautete Evies Überzeugung. Doch Theorie und Wirklichkeit waren eben zwei grundverschiedene Dinge.
Bisher hatte Rosie noch nie einen ernst zu nehmenden Freund gehabt. Abgesehen von ein paar Verabredungen mit einer Reihe von Jungs, die niemals ihre Erwartungen zu erfüllen vermochten und mit denen es nicht zu mehr als ein paar Kinobesuchen gekommen war.
Der positive Aspekt dieser Sache war der, dass offenbar keiner der eifrigen Bewerber ihrer Tochter etwas hatte aufzwingen können, was diese nicht wollte. Rosie war hartnäckig, beinahe schon dickköpfig. Keiner der Grünschnäbel schaffte es, einem Mädchen wie ihr auf die Pelle zu rücken. Doch einer, der ihr Gesicht so wie heute zum Glühen brachte, war eine ganz andere Sache. Unaufhörlich wälzte sich Evie in ihrem Bett hin und her. Nachdem sie sich mindestens eine Stunde lang über Rosie Sorgen gemacht hatte, grübelte sie über ihre Begegnung mit Max nach.
Dies war kein Spiel mehr, keine Fiktion aus einem ihrer romantischen Bücher. Es war die Wirklichkeit. Unbestreitbar und vollkommen wirklich. Max war kein erfundener Held, den man abends beim Schließen des Buches vergessen konnte. Er bestand aus Fleisch und Blut und drängte sich zwischen Simon und sie. Armer Simon!
Was in aller Welt sollte sie tun? Max aus ihrem Gedächtnis tilgen, das war ihre Aufgabe. Und was die Reise nach Spanien in zwei Monaten anging, die konnte er vergessen. Da sie für ihre Flitterwochen Urlaub nehmen musste, bliebe ihr dann nur noch eine Woche übrig. Also konnte sie ohnehin nicht mit.
Olivia übte. »Stephen, du magst es doch nicht, dass ich diese jugendlichen Straftäter‹, wie du dich ausdrückst...«
Nein, das klang furchtbar. Sie warf das Haar zurück, sah sich im Spiegel an und versuchte es erneut.
»Liebster!« Das war schon besser. »Mein Lieber, sicher wirst du es mir übel nehmen, dass ich es für mich behalten habe - aber es geht um eine neue Arbeit. Max Stewart...«
Nein, Max sollte sie lieber nicht erwähnen. Stephen wäre die Vorstellung verhasst, dass er etwas damit zu tun haben könnte. »Ich habe von einer Kochsendung im Frühstücksfernsehen gehört...«
»Mama«, rief Sasha aus ihrem Zimmer. »Papa ist zurück.«
Olivia unterbrach ihr Training in der Kunst Wie sage ich es meinem Mann und eilte in den Flur.
Stephen stand mit drei Herren in Anzügen im Flur. Alle drei hatten leicht glasige Augen und schnupperten anerkennend den Ragoutduft.
»Hallo Liebes!« Er eilte auf sie zu und presste sie eng an seinen neuen grauen Seidenanzug, den er sich zu Ehren des Besuchs dreier Manager aus der deutschen Zentrale gekauft hatte. Er küsste sie auf die Lippen. Sie konnte den Rotwein in seinem Atem riechen. Zwar löste er sich aus der Umarmung, ließ jedoch, anders als sonst, eine Hand auf ihrem Po liegen und stellte sie seinen Gästen vor. »Olivia, meine schöne Frau!« Er zwinkerte dem ältesten und offenbar wichtigsten der Gäste zu. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass sie ein Star ist.«
Alle kicherten wie eine Schulklasse voller Jungs, die man im Fahrradschuppen beim Playboylesen erwischt hatte.
»Sie müssen unsere Verspätung entschuldigen, Frau MacKenzie«, wandte sich der Älteste der Gäste an Olivia, nachdem sie alle einander vorgestellt worden waren. »Wir haben Ihren Mann zur Feier des Abschlusses unserer Arbeit zu einem Drink eingeladen.«
»Es muss sich um einen sehr erfolgreichen Geschäftsabschluss handeln, wenn es Ihnen gelungen ist, meinen Mann in eine Kneipe zu bekommen.«
Ohne Rücksicht auf die Situation liebkoste Stephens Hand sie durch ihren seidenen Rock. Olivia, die befürchtete, dass die anderen es bemerken könnten, rückte von ihm ab.
»Wenn Sie mir alle ins Esszimmer folgen möchten - wir können gleich anfangen.«
Während sie die komplizierte Vorspeise in ihrer blitzblanken Küche zusammenstellte, dachte Olivia daran, dass der heutige Abend genau der richtige Zeitpunkt wäre, um Stephen von ihrem baldigen Fernsehdebüt zu erzählen.
Leicht angetrunken, zufrieden mit seinem Geschäftstreffen und offenbar ganz versessen auf sie - das alles bot die beste Voraussetzung, dass er von dem Neubeginn der Karriere seiner Frau erfuhr. Jedenfalls solange es ihr gelang, mit ihrem Fernsehnamen so lange wie möglich hinter dem Berg zu halten, damit er sich erst an die Vorstellung ihres Stellenwechsels gewöhnte, ehe er begriff, dass sie den Namen de Vere anstelle von
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