Geh Ich Auf Meine Hochzeit
Wärme des heutigen Abends trieb alle an die frische Luft hinaus.
Evies Nachbarn mähten den Rasen; ein Mann weiter vorne beschnitt sein ausuferndes Gras; ein Paar schob gemächlich einen Kinderwagen auf der Gegenüberseite; und drei Jungs spielten auf der Straße Fußball, wobei sich der Ball in regelmäßigen Abständen in den Bäumen verfing.
Sie musste unbedingt ihren Rasen mähen, dachte Evie angesichts ihres winzigen Vorgartens, für den sie kaum jemals Zeit hatte. Das Heidekraut, das sie vor zwei Jahren gepflanzt hatte, war so ausgedünnt, dass es kaum mehr eine Woche im wirklichen Hochland Schottlands überlebt hätte.
Sie musste es unbedingt ersetzen, erst recht, wenn sie zusammen etwas Neues kaufen wollte. Bei der Vorstellung wurde Evie das Herz schwer.
»Wann hattest du das Auto zum letzten Mal in der Werkstatt?«, fragte er. »Vermutlich ist es längst wieder fällig. Eigentlich solltest du überlegen, dir ein neues zu kaufen, Evie. Oder zumindest ein neueres. Wenn wir verheiratet sind, kannst du natürlich mit meinem fahren.« Er richtete sich auf und schenkte ihr einen strahlenden Blick.
Sie lächelte flüchtig zurück, dann zupfte sie Unkraut aus dem steinharten Beet neben dem Gartentor. »Sieh dir das an«, brummte sie. »Ich muss unbedingt Unkraut jäten.«
Simon bückte sich, um den Reifen wegzurollen und Evies Ersatzreifen zu montieren. »Vergiss nicht, den hier reparieren zu lassen«, ermahnte er sie.
Sie unterdrückte den Impuls, ihm mit dem Schraubenzieher eins überzuziehen.
Als sie fast das gesamte Unkraut aus dem Beet entfernt hatte, war Simon ins Haus gegangen, um sich die Hände zu waschen und die Kaffeemaschine anzuwerfen. Es irritierte sie, dass er abends um acht noch Kaffee kochte. Obwohl sie die vorhergehende Nacht nicht geschlafen hatte und deshalb nicht besonders scharf auf Koffein war, nahm auch Evie eine Tasse und einen Keks.
Simon saß, in den Sportteil der Zeitung vertieft, am Küchentisch.
»Fragst du dich eigentlich manchmal, warum Menschen sich ineinander verlieben?«, fragte Evie beiläufig. »Auf der Welt gibt es Millionen von Menschen - aber man findet jeweils einen und damit hat es sich dann. Es ist so... so zufällig.«
Ohne von der Zeitung aufzusehen, fuhr Simon ihr durch das Haar. »Du träumst immer noch, Evie«, meinte er liebevoll.
»So meine ich es nicht«, winkte sie ab. »Du weißt schon wie finden wir den richtigen Partner? Darüber haben Lorraine und ich uns heute auch unterhalten. Gibt es die große Liebe wirklich?« Sie lachte kurz auf, als ob ihr das alles eben erst durch den Kopf gegangen sei.
Simon legte die Lektüre über den letzten Millionentransfer bei Inter Milan zur Seite. »Wie romantisch du bist, Evie. Ich hege eine etwas zynischere Einstellung zum Leben. Meiner Ansicht nach lernt man jemanden kennen und verliebt sich dann in diesen Menschen, was immer das auch sein mag. Weißt du, ganz allmählich. Es geht doch um Vertrauen und dass man sich nahe ist. So wie bei meinen Eltern«, meinte er nachdenklich. »Ich glaube nicht, dass sie in Flammen zueinander entbrannt waren, aber sie haben sich über die Jahre lieben gelernt. Mutter vermisst Vater heute noch.«
»Ja, ich verstehe, was du meinst«, erwiderte Evie leise. Doch Simon hatte sich wieder dem europäischen Fußball zugewandt.
Vertrauen und sich nahe sein, hatte er gesagt. Kein Wort von Leidenschaft und von einem elektrischen Funken, der einen umzuwerfen drohte, oder von einem Feuer, das tief in der Seele loderte.
Evie nippte an ihrem Kaffee und blickte blind in die Ferne. Jetzt fiel ihr nicht mehr auf, dass die Küche eine Abseifung mit einem Scheuerlappen nötig gehabt hätte. Sie sehnte sich nach heftiger Leidenschaft, und Simon wünschte sich einen freundlichen Kameraden, jemand, mit dem man gemeinsam vor dem Fernseher sitzen oder im Alter Bridge spielen konnte. Das erstaunte sie selber auch: sie wünschte sich tatsächlich eine heftige, intensive Leidenschaft, ein Gefühl des Verlangens, das sie wie eine Flutwelle überschwemmte.
Seit Jahren las sie davon und bewegte sich in einer Phantasiewelt von schönen Frauen und sinnlichen Eroberern, versetzte sich dabei in jede ihrer Romanheldinnen hinein. Doch mehr als Illusionen, beziehungsweise Wunschvorstellungen waren es nicht gewesen.
Aus irgendeinem Grund hatte sie nun angefangen, sich dies alles auch für ihr wirkliches Leben zu wünschen, Leidenschaft und Sehnsucht und Aufregung. Eigentlich nicht aus irgendeinem Grund - denn
Weitere Kostenlose Bücher