Geh Ich Auf Meine Hochzeit
einem schwachen Herzen ernsthafte Rhythmusstörungen verursachen.
»Es sieht entzückend aus«, gab Evie zu und unterdrückte die Bemerkung, dass man offenbar während der Herstellung unter Stoffmangel gelitten hatte. »Etwas kurz ist er vielleicht...«, konnte sie sich dann doch nicht verkneifen.
»Ach, Mama, lass mal gut sein!« Rosie warf sich auf das Bett. Die umsichtig gestapelten Klamotten ihrer Mutter schwankten. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen, während ihre Beine zu der Musik von George Michael wippten, die aus ihrem Zimmer herüberdrang. Sie begann die Stapel auseinander zu nehmen und neu zu kombinieren.
»Himmel, Mama, wir fahren doch nur für eine Woche. Und du nimmst tonnenweise Schrott mit. Zum Beispiel das hier...« - Sie hielt ein weißes, ausgebeultes T-Shirt hoch, als ob es mit Gelbfieber infiziert sei - »ist einfach ätzend! Das kannst du nicht tragen. Ich verstehe nicht, warum du es noch nicht zu einem Putzlappen gemacht hast.«
Evie rupfte es ihr aus der Hand. »Es ist erst drei Jahre alt«, konterte sie.
»Hundert und drei«, korrigierte Rosie. »Das Alter spielt auch gar keine Rolle, es sieht einfach scheiße an dir aus.«
»Sag nicht Scheiße«, maßregelte Evie sie automatisch, während sie sich die Jacke abstreifte und sich das verunglimpfte T-Shirt überzog. Rosie hatte Recht: ein wahrer Lumpen! Ausgebeult und ohne jede Form. Mit ihrem Minirock aus Leinen wirkte sie wie eine Nutte. Jetzt fehlten nur noch ein paar hochhackige Sandalen, eine Tätowierung und ein Fußkettchen.
»Kapierst du es jetzt?« Rosie setzte sich auf und durchwühlte den Rest der Kleidung, so wie ein Experte der Medicis nach einem ganz bestimmten Giftstoff gesucht haben mochte. »Du brauchst ein paar neue Sachen, Mama.«
Nur zum Spaß schlüpfte Evie in ein wadenlanges lila Kleid mit Paisleymuster, das schon beim Kauf altmodisch gewesen war. Sie trug roten Lippenstift auf und posierte vor ihrer Tochter. »Aber nicht doch«, zeterte sie. »Mehr als das hier brauche ich nicht. Tagsüber ist es ein Strandtuch und abends ein Ausgehkleid!«
»Igitt!« Rosie war wirklich angewidert. »Das habe ich ja noch nie gesehen.«
»Stammt vom Speicher! Ich dachte, ich könnte dort etwas finden, was wieder in ist«, erläuterte Evie. »Hotpants sind es und ausgestellte Hosen ebenfalls. Man kann nie wissen, was wieder einmal angesagt sein wird.«
Rosie warf einen vernichtenden Blick auf das gute Stück. »Das Ding gehört in den Reißwolf. Und wenn es wieder in Mode kommen sollte, werde ich Nonne.«
»Schwester Rosie, schenk uns doch ein Tässchen Tee ein«, scherzte Evie, die die Gegenwart ihrer Tochter aufheiterte. Wenn sie mit Rosie zusammen war, machte sie sich weder über Simon noch über Max noch über ihre Zukunft irgendwelche Gedanken.
»Nicht, bevor ich diesen Mist hier durchgesehen habe«, verkündete Rosie. »Du kannst noch nicht einmal ein Viertel von deinen ganzen Ladenhütern mitnehmen. Ich habe nur ein Teil von Opas Geld ausgegeben. Wie wäre es, wenn ich dir den Rest überlasse und du dir etwas Schönes leistest? Es steht dir wahrhaftig zu.«
Evies Augen füllten sich mit Tränen, und sie küsste Rosie zärtlich auf die Haare. »Du bist eine wunderbare Tochter, weißt du das eigentlich?«
»Aber dennoch erwartest du, dass ich nach unten latsche und Tee koche?« Rosie lachte, entknotete ihre langen Beine und tanzte zur Tür, während George Michael »Too Funky« durchs Haus fetzte.
»Einen Schokoladenkeks dazu?«, fragte sie.
»Bloß nicht«, rief Evie ihr nach, obwohl sie gerne einen gegessen hätte. Doch sie wollte am Pool nicht fett sein. Jedenfalls nicht noch fetter als ohnehin. Ihr Hintern und ihre Schenkel waren üppig genug und vergrößerten sich jedes Mal, wenn sie sie betrachtete. Sie würde sich ein paar Sarongs von Olivia ausleihen müssen. Olivia wiederholte indessen unermüdlich, Evie sei verrückt und kein bisschen zu fett. Typisch Olivia, immer war sie einem freundlich gesinnt. Evie zerrte sich das lila Kleid vom Leib und verdrehte den Hals, um ihren Hintern im Spiegel zu betrachten.
»Wahnsinn«, brummte sie leise. Das war bei ihrer Zellulitis-Diät herausgekommen. Sie ging zur Treppe und beugte sich über das Geländer.
»Rosie, ich habe es mir anders überlegt. Bring mir ein paar Schokokekse mit, bitte!«
Samstagmorgen war der Himmel sehr dunkel. Regenschwangere Wolken hingen wie gigantische Brombeeren über dem Dubliner Flughafen, als Evie vorfuhr und den Wagen auf dem
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