Geh Ich Auf Meine Hochzeit
stärken.
Es fiel ihr nicht auf, dass Olivia bei der Erwähnung ihres Lieblings Sasha noch bedrückter geworden war. Olivias Augen wurden feucht, als sie daran dachte, wie ihre süße kleine Tochter sie mit großen Augen traurig angesehen hatte, da sie die schlechte Verfassung ihrer Mutter spürte.
Sie war nicht einmal mehr eine gute Mutter. Als sie am Morgen Sashas Frühstück zubereitet hatte, hatte sie geweint. Dicke, runde Tränen waren ihr auf das Toastbrot mit Honig gefallen, als Stephen, ohne sich von ihr mit einem Kuss zu verabschieden, die Haustür hinter sich zugeknallt hatte.
So benahm man sich nicht in Gegenwart eines vierjährigen Kindes! Sie hatte sich furchtbar geschämt. Und hier saß sie nun und riet ihrer besten Freundin, wie diese ihr Leben zu gestalten hätte und dass sie auf die Hochzeit ihres Vaters gehen solle, während sie, Olivia, überhaupt mit gar nichts mehr zu Rande kam. Sie kam sich langweilig, dumm und vollkommen überflüssig vor.
Damit Evie die Tränen in ihren Augen nicht sehen konnte, neigte sie ihren Kopf. Dann nippte sie mehrmals an ihrem heißen Kaffee. Sie musste unbedingt hier hinaus, ehe sie sich noch vollkommen lächerlich machte.
»Himmel, wie spät es schon ist«, meinte sie entsetzt. »Ich habe versprochen, Sasha um Viertel nach zwei abzuholen. Nie und nimmer werde ich das noch rechtzeitig schaffen. Ich muss schnellstens los.« Olivia hatte ein schlechtes Gewissen, Evie unter einem Vorwand zu verlassen. Sie stand abrupt auf, nahm ihren Mantel und küsste ihre Freundin flüchtig und ohne ihr in die Augen zu sehen auf die Wange.
»Ich fahre dich mit dem Auto zurück«, bot Evie an.
»Nicht doch, es ist gleich um die Ecke«, entgegnete Olivia ängstlich. »Ich laufe. Trink du nur deinen Kaffee aus.« Bestürzt rauschte sie davon.
Eigentlich hatte sie sich hinsetzen und Evie ihre Seele ausschütten wollen. Doch dazu war es weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort. Und Evie hatte so sehr mit ihren eigenen Problemen zu tun, dass Olivia sie nicht noch mehr zu belasten wagte. Diese Krise musste sie ganz alleine bewältigen.
Zurück an ihrem Schreibtisch mit einem Stapel Nachrichten für sie, dachte Evie über Olivias abrupten Aufbruch nach und hatte Schuldgefühle, weil sie ständig über ihren Vater und Vida geredet hatte. Es stimmte leider: sie war tatsächlich nur noch mit deren Hochzeit beschäftigt. Immer wieder nur damit, wie sie sich jetzt selbst beschämt eingestand. Und die arme Olivia hatte es lange ertragen, obwohl sie ganz offensichtlich über etwas anderes mit ihr hatte reden wollen. Aber Evie bewegte sich in einem derartigen Karussell, dass es ihr nicht rechtzeitig aufgefallen war.
Zerknirscht nahm sie den Telefonhörer und wählte Olivias Nummer. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Stephens überhebliche Stimme verkündete, die MacKenzies seien zur Zeit nicht zu Hause, man möge nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen. Nach dem Signalton, betonte er so, als ob er sich an einen mit Dummheit geschlagenen Anrufer wende, dem noch nie zuvor eine Telefonautomatik untergekommen war. Himmel, hörte sich der Mann gern selbst reden! Durch seine herablassende Art fühlte sich jeder gleich wie ein Narr, dachte Evie verstört. Auch Olivia gegenüber verhielt er sich ständig in dieser Weise. Und so, wie er über seine Arbeit sprach und seine Wichtigkeit für die Firma betonte, hätte man annehmen können, er sei deren Hauptgeschäftsführer. Man musste sich nur einmal vorstellen, dass er den letzten Ferientag nicht mit seiner Familie zusammen verbringen wollte und ihnen rundheraus einen Ausflug nach Howth abschlug, um sich in seinen Papieren zu vergraben. Er war unglaublich egoistisch. Da er so häufig verreiste, verbrachten Olivia und er nur wenig Zeit miteinander. Doch Stephen schien nicht zu begreifen, dass ein glückliches Familienleben für Olivia absolut wichtig war. In erster Linie deswegen, weil sie selbst niemals ein solches besessen hatte. Normale Dinge, wie zum Beispiel ein gemeinsamer Ausflug oder einen Abend zusammengekuschelt mit Keksen vor dem Fernseher zu verbringen, anstatt einen viertel Liter Whisky zu trinken, entsprachen Olivias Vorstellung vom vollkommenen Glück. Die einzigen Male, wo sie ganz gewöhnliche Familientage als Kind erlebt hatte, war bei den Frasers gewesen. Aus diesem Grunde standen sie sich so nahe. Stephen konnte das einfach nicht begreifen. Und er war ein solcher Karrierehengst, dass es ihn auch gar nicht
Weitere Kostenlose Bücher