Geh Ich Auf Meine Hochzeit
schmerzhaft auf ihrer Haut, so heftig küsste er sie...
»Mama, Olivia geht jetzt«, rief Rosie die Treppe hinauf, wodurch sie mitten in Evies Traumwelt platzte.
»Ich komme«, rief sie zurück. Eine blasse Frau mit wirren Haaren starrte sie aus dem Spiegel an. Die langweilige, konservative Evie und nicht die große Geheimnisvolle, bei deren Berührung Dirk vor Leidenschaft erbebte.
Evie Superbrav knöpfte sich die Strickjacke zu, band sich die Haare unnötig straff zu einem Pferdeschwanz zurück und ging nach unten.
Olivia stand bereits mit angezogenem Mantel im Flur. Sie wollte gerne nach Hause, weil Stephen sechs Stunden lang auf Sasha aufgepasst hatte und sicherlich längst ungeduldig auf die Uhr schaute.
Rosie erzählte Olivia von der Jacke, auf die sie bei Miss Selfridge ein Auge geworfen hatte. »Sie ist phantastisch, lang und aus schokoladebraunem Ponyfellimitat. Meine Freundin Charlotte hat eine kunstseidene lange Hose, die sie mir borgen könnte. Und dazu hätte ich noch ein erdbraunes Chiffontop.«
»Für die Hochzeit?«, fragte Evie, die sich nicht sicher war, ob ein Ponyfellimitat kombiniert mit Kunstseide zu diesem Ereignis passte.
»Beruhige dich, Mama, es wird echt cool aussehen«, erwiderte Rosie unbekümmert. »Cara hat die Jacke schon gesehen und findet sie einfach entzückend.«
»Der Geschmack deiner Tante lässt ebenfalls einiges zu wünschen übrig«, entgegnete Evie mit bissigem Unterton. »Nur der Himmel weiß, was sie anziehen wird.«
Sie war immer noch verärgert über das, was Cara über die Hochzeit gesagt hatte. Verärgert und tief verletzt. Selbst wenn Evie verschämt zugeben musste, dass es der Wahrheit entsprach, tat es trotzdem weh, als kindisch und eifersüchtig zu gelten.
Nach drei angespannten Tagen über Weihnachten war Cara schließlich am Nachmittag ihrer Abreise der Geduldsfaden gerissen und sie hatte ihrer Verärgerung über Evie freien Lauf gelassen.
»Heute hast du kaum mehr als zwei Worte mit Papa gewechselt«, hatte sie sie angefahren und dabei die Teller unachtsam in die Spülmaschine gerammt. »Und was die arme Vida angeht... wenn du während des Mittagessens nicht reden möchtest, hättest du einfach nach Dublin zurückfahren und uns alleine lassen sollen. Es war eine Zumutung, schweigend wie ein verdammtes Gespenst herumzusitzen!«
»Sei still!«, zischte eine verblüffte Evie, der beinahe das Geschirrtuch aus der Hand gefallen wäre. »Sie können uns hören.« Ihr Vater, Vida und zwei Nachbarn, die ebenfalls zum Mittagessen eingeladen waren, hatten sich in das gemütliche Wohnzimmer zurückgezogen, wo Rosie ihnen bereits aus der zweiten Kanne Kaffee einschenkte.
Cara zielte mit einem Holzlöffel Richtung Spülbecken und schleuderte ihn hinein. Schaum spritzte auf. »Was macht das schon, wenn sie uns hören? Sie müssten blind und taub gewesen sein, wenn ihnen nicht aufgefallen wäre, wie du die Stimmung boykottiert hast. Möchtest du noch etwas Soße, Evie? Nein. Hast du schon alles für deinen großen Tag geplant, Evie? Ja. Himmel, wie gesprächig aber auch! Ich begreife nicht, warum du dir nicht ein paar Karten anfertigst, dann brauchst du überhaupt nichts mehr zu sagen... musst nur noch die Karte mit dem Wort ›Ja‹ oder ›Nein‹ hochhalten. Macht insgesamt zwei davon.«
Evie errötete. Ihr war bewusst, dass sie während des Essens einsilbig gewesen war, aber sie hatte geglaubt, es wäre niemandem aufgefallen. Alle amüsierten sich großartig, ihr Vater und Vida waren so miteinander beschäftigt, dass sie ohnehin bestens ohne sie auskamen. Wem wäre es da aufgefallen, dass sie sich so still verhielt? Ihrer Schwester leider, typisch.
»Was ich nicht verstehe, Evie«, sagte sie schließlich und gab nicht länger vor, sich um den Abwasch zu kümmern. »Weswegen hast du Jahr auf Jahr darauf verwandt, mir beizubringen, ich solle auf andere Menschen Rücksicht nehmen, solle freundlich und hilfsbereit und anständig sein einen Sinn für Verantwortung und Sensibilität zeigen, wenn es bei dir nicht mehr als einen Schock gegen dein System braucht, um dich wie ein kindischer, unreifer, gedankenloser Idiot zu benehmen.«
Evie verschlug es die Sprache, doch Cara war noch nicht fertig. »Ich weiß, wie schwer es dir fällt, diese Hochzeit mitzumachen, aber du bemühst dich nicht einmal, die Realität zu akzeptieren. Es geschieht so oder so, also pack es an«, bemerkte sie grob. »Ich möchte wirklich nicht wissen, in was für ein Ekel du dich verwandelt
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