Geh Ich Auf Meine Hochzeit
fällt einem viel leichter, wenn man ein paar Gläschen getrunken hat.«
»Noch leichter wäre es, wenn man es bei ein paar Gläschen belassen könnte«, konterte Evie schroff. »Doch offenbar sind zehn oder zwölf Glas für manche Leute eben ein paar.« Sie musterte Sybil eisig, bis diese den Blick abwandte.
Sybil war sich der Tatsache bewusst, dass sie in Evie einen ebenbürtigen Gegner gefunden hatte.
Olivia warf ihrer Freundin noch ein dankbares Lächeln zu. Keinem gelang es wie Evie, ihre Mutter in ihre Schranken zu verweisen. Niemand sonst traute sich das überhaupt.
Einen Augenblick lang überlegte Evie, welche Möglichkeiten ihnen offen standen. Sie könnten Sybil in ein Taxi setzen, dem armen Fahrer zehn Pfund und zwei Aspirin in die Hand drücken, denn er würde unweigerlich nach drei Minuten unter Kopfweh leiden, und sie zum Bahnhof fahren lassen. Dann könnten Olivia und sie gemächlich zum Duke schlendern, dort ein belebendes Getränk zu sich nehmen und anschließend die Läden nach etwas für sie selbst durchstöbern.
Das wäre verlockend, doch leider nicht realistisch. Evie seufzte, erhob sich und blies zum Marsch.
»Wir haben noch eine Stunde, um etwas für dich zu finden, Sybil. Und mir ist auch gerade eine geeignete Adresse eingefallen. Es ist ein kleiner Laden, der sich auf Festtagskleidung spezialisiert hat. Sie führen außerdem wunderschöne Hochzeitskleider. Ich habe sie in einer Anzeige in der Zeitschrift Style entdeckt, wo ein paar sehr schmeichelhafte Kostüme abgebildet waren.«
»Hoffentlich keine Geschmacklosigkeiten«, mäkelte Sybil mit einem zickigen Blick in Richtung Olivia.
»Niemand würde dich in etwas Geschmackloses stecken«, erwiderte Evie scharf und wünschte, Olivia würde einmal für sich selbst sprechen. »Das wäre ja so, als ob man die Königin in Sleeping Beauty in Pastell anstelle von Schwarz kleidete.«
»Oh, was haben wir heute aber für eine gute Laune«, meinte Sybil befriedigt. Sie liebte Wortgefechte. »Hat dein Verlobter es sich vielleicht noch einmal anders überlegt? Ich hoffe nicht. Was immer ich heute kaufe, werde ich auch zu deinem Fest anziehen. Wann ist es noch mal? August? Du wirst doch wohl in deinem Alter nicht in Weiß erscheinen? Zu meiner Zeit sagte man dazu: wie ein Bock, der sich als Lamm verkleidet.«
Erneut knirschte Evie mit den Zähnen. Wie sie die nächste Stunde überstand, hätte sie niemandem erklären könnten. Durch den Schuss Whisky belebt, war Sybil in Bestform. Sie lachte kokett und gab altersweise Bemerkungen von sich.
Immerhin war sie jetzt in besserer Stimmung zum Einkaufen, und als Evie sie in der Umkleidekabine mit einem Flachmann erwischte, enthielt sie sich des Kommentars - reichte ihr lediglich ein Pfefferminzbonbon.
Wie vorherzusehen war, gefiel der beschwipsten Sybil das erste Kleid nach ihrem Alkoholkonsum am besten. Es hatte die Farbe eines reifen Pfirsichs, und die weiche Wolljacke mit dem dazu passenden Rock stand ihr tatsächlich gut. Als Evie beobachtete, wie ihr verhärmtes Gesicht plötzlich Farbe bekam, wurde ihr klar, was für eine Schönheit Sybil de Vere früher einmal gewesen sein musste. In den Tagen, als sie noch nicht eine Flasche Gin oder Whisky in vierundzwanzig Stunden getrunken hatte.
Als ob sie genau dasselbe dachte, umarmte Olivia plötzlich ihre Mutter. Das war etwas, was sie nur sehr selten tat.
»Du siehst großartig aus, Mama«, meinte sie mit feuchten Augen.
»Wer bezahlt das Zeug?«, knurrte Sybil. Der Zauber des Augenblicks war ihr entgangen. »Du, hoffe ich doch?«
»Was hast du erstanden, Mama?«, erkundigte sich Rosie am Abend, als sie mit dem Rücken zum Kamin im Wohnzimmer saß, während ihre Mutter und Olivia vollkommen erschöpft in den Sesseln hingen.
Evie verzog das Gesicht. »Etwas, was ich mir fest vorgenommen hatte, niemals zu kaufen«, erwiderte sie. »Ein hellblaues Kostüm! Es wirkt ein wenig wie für die Mutter der Braut geschneidert«, fügte sie noch geknickt hinzu.
Das war noch untertrieben, und selbstverständlich würde Vida in ihrer wie auch immer gearteten Designerkleidung hinreißend aussehen, während sie halt daherkam wie vom Wühltisch gehüpft. Sie stellte sich vor, wie Vidas illustre Gäste die beiden Frauen vergleichen und sich fragen würden, ob Vida ihre trostlose Stieftochter nicht etwas aufpeppen könnte. Eine Runderneuerung des gesamten Körpers und eine unbezahlbare kosmetische Gesichtsoperation befänden sich vermutlich unter den
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