Geh nicht einsam in die Nacht
Äcker des Hiitelä-Hofs, und ich erzählte Eva von all den Aliens und Massenmördern, die er beherbergt hatte.
Wir gingen in den Wald und sogen den Duft wilder Himbeersträucher ein, und eines Abends ruderten wir in der Abenddämmerung hinaus, saßen mitten auf der Bucht und lauschten der Stille. Eva fürchtete sich vor dem kleinen Ruderboot: »Großer Gott«, sagte sie, »benutzt ihr auf den Binnenseen wirklich so untaugliche Boote!«
Am letzten Abend saßen wir auf der Holzbank vor der Sauna, unter dem Satteldach, und sahen, wie über dem See ein Gewitter näherkam. Als es schon laut donnerte und die ersten Regentropfen auf die Erlen am Ufer prasselten, erzählte Eva mir von ihrer Vision von Tallinge als Die Hölle . »Ein Sonntagnachmittag«, sagte sie. »Ein Sonntagnachmittag im November oder März, wenn alles nass und grau ist. Man geht von der S-Bahn-Station nach Hause oder umgekehrt. Es regnet, und kein Mensch ist auf der Straße, höchstens eine alte Schachtel, die mit ihrem hüftsteifen Hund Gassi geht. Ich dachte immer, wenn es ein Leben nach diesem geben sollte, sieht die Hölle vielleicht so aus, so und nicht anders. Kein superheißer Ofen mit Teufeln und Folter und so. Sondern ein riesiges Tallinge, in dem man ein sterbenslangweiliges Leben führt, das niemals endet. Ein ewiges Leben mit Kiosk und Regen und Hundeschabracken und Kneipe.«
Am nächsten Morgen räumten wir auf, und ich nahm die Bettwäsche mit und schloss ab. Anschließend brachten wir den Schlüssel zu Kuokkanen, der zwei Kilometer entfernt hinter dem Hiitelä-Hof am Waldrand wohnte.
Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es mein letzter Morgen in Svartviken sein sollte. Aber so war es.
* * *
Über das letzte Jahr in Tallinge gibt es nicht viel zu sagen.
Nach unseren Tagen in Svartviken zog Eva Mansnerus sich auf der Stelle zurück. Als ich an einem Abend kurz nach unserer Rückkehr zu ihr ging, versuchte ich sie im Flur zu umarmen, aber sie löste sich von mir. Am Telefon hatte sie ausweichend, fast widerwillig geklungen, ich hätte Unheil wittern müssen. Ich musste auf der Matratze schlafen. Das Unglückliche Lebensbuch schlecht verlöteter Jungen war wieder aufgeschlagen worden, neue niedergeschlagene Kapitel würden geschrieben werden.
Der ganze Herbst verlief so und der Winter. Die Situation verschärfte sich, weil ich anhänglich, ja sogar stur war. Ich konnte und wollte nicht akzeptieren, dass das, was es in Svartviken zwischen Eva und mir gegeben hatte, nur eine Episode gewesen war, ein kurzes und sorgloses Spiel jenseits von Zeit, Alter und Raum. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Als ich meine Unzufriedenheit mit meinem Dasein auf der Matratze zeigte, verlor ich auch das. Im Spätherbst bat Eva mich, sie die nächste Zeit nicht mehr zu besuchen. Ich gehorchte, versuchte stattdessen jedoch, sie anzurufen: Ich rief fast jeden Abend an, aber sie meldete sich nie. An einem Dezemberabend rief ich aus einer Telefonzelle am Fredrikstorget an, aber es hob keiner ab. Ich ging die zwei Häuserblocks bis zur Jägaregatan und blickte zu Evas Fenster hinauf. Es war schwach erhellt, und nach einer Weile sah ich Silhouetten, die sich in Fensternähe bewegten, mindestens drei Menschen hielten sich dort oben auf. Ich war enttäuscht, zugleich jedoch auch erleichtert, weil es mehr waren als zwei.
Pete Everi war nach Tammerfors gezogen und wohnte in einem Studentenwohnheim. Ich besuchte ihn im Herbst zwei Mal, aber auch diese Besuche verliefen nicht gut. Pete engagierte sich aktiv in der Studentenpolitik und im Musikleben, er hatte neue Freunde gefunden, und wir fanden keinen gemeinsamen Ton mehr.
Aber ich war nicht so allein, wie man hätte meinen können. Mein Selbstvertrauen war gewachsen, und als ich mich nicht mehr an die alten Verhaltensmuster halten konnte, ging ich dazu über, in den Cafés im Stadtzentrum zu sitzen. Und fand neue Freunde. Keine Seelenverwandten wie Eva und Pete, denen ich meine Geheimnisse verraten und meine Liedtexte zeigen konnte, aber gute Bekannte, mit denen ich im Café saß und zu Partys ging.
Mein Elternhaus war ein Ort, an dem ich schlief, aß und meine Kleider wusch. Und natürlich für das Abitur lernte. Auf dem Gymnasium waren meine Noten schlecht gewesen, und ich musste tüchtig pauken, um den Stoff nachzuholen. Henry und Leeni betrachteten mich besorgt und, wie ich fand, traurig. Später lernte ich, dass Eltern so ihre Kinder ansehen, wenn sie auf dem Sprung sind, das Nest zu
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