Geh nicht einsam in die Nacht
Die Sonne ging unter, aber die Wärme blieb, die Flasche wurde leer, und wir öffneten eine zweite, wir unterhielten uns ganz zwanglos, es war, als hätte es das monatelange Loch überhaupt nicht gegeben. Als wir ins Haus gingen, war es bereits stockfinster, und ich wollte Kerzen anzünden, aber Eva schauderte, und ich begriff, dass sie bei allem, was mit Feuer zusammenhing, an Adriana denken musste. Wir schalteten auch keine Lampen an, wir legten uns in Leenis und Henrys Doppelbett, und dann liebten wir uns zum ersten Mal, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Vielleicht war es gerade diese Leichtigkeit, die mich am meisten erstaunte, dass alles, was Eva und ich taten, so wenig Ähnlichkeit mit dem Bemühten und Angespannten hatte, was ich bei dem Mädchen aus dem Alibi erlebt hatte. Ich wurde nicht einmal nervös, als es beim ersten Mal zu schnell vorbei war und Eva nicht mitkam. Sie lächelte mich in der Dunkelheit nur an und ließ mich in sich bleiben – sie nahm die Pille –, und nach einer Weile machten wir es noch einmal. Es war so offensichtlich, dass Eva und ich zusammengehörten und dafür geschaffen waren, miteinander zu schlafen, dass ich mir den selbstgefälligen Gedanken nicht verkneifen konnte, nun endlich meine Belohnung für all die Nächte in der Sauna auf Aspholm und auf der Matratze in ihrer Wohnung zu bekommen, für sie und alle anderen geduldig durchlittenen Kapitel im Unglücklichen Lebensbuch schlecht verlöteter Jungen .
Wir schliefen an diesen Tagen weiter miteinander, wir liebten uns am Tag, und wir liebten uns in der Nacht. Ich war benebelt, wie im Rausch, und war mir sicher, dass die Zeit in Svartviken der Anfang von etwas Dauerhaftem sein würde. Es schlugen keine Alarmglocken, als Eva Dinge sagte wie »du hast vielleicht Energie« und »du bist der Mann meines Lebens, aber du bist so ein Grünschnabel«. Ich erzählte von dem Mädchen aus dem Alibi, und Eva war ein wenig enttäuscht. Offenbar war sie überzeugt gewesen, mich zu entjungfern. Dagegen erzählte ich ihr nichts von Suski Everi, eine innere Stimme flüsterte mir ein, so sei es besser.
Ich konnte nicht verhindern, dass sich zwei Bilder von Eva in mir festsetzten. So bin ich immer schon gewesen und bis heute geblieben: Bilder brennen sich mir ein, Bilder unterschiedlichster Art, erotische, tragische, amüsante, beängstigende, verlockende, ekelerregende. Im Laufe der Jahre sind viele Bilder zusammengekommen, sie sind, unverändert stark und bezwingend, in meinem Inneren gelagert. Ich bin ein Gefangener dieser Bilder, sie haben mich zum Künstler gemacht. Oder ich habe beschlossen, die Bilder gerade deshalb zu bewahren, um Kunst erschaffen zu können. Ich hätte sie stattdessen auch ans Licht holen, ich hätte sie analysieren und mich von ihnen befreien können. Aber es ist, wie es ist. Die Bilder haben mein Leben zu einer Wanderung auf einer schmalen und brüchigen, von Moor umgebenen Holzplanke gemacht. Diese Planke trägt einen Namen, Rationalität, und ich bin unfähig, mich auf ihr zu halten. Es gibt Augenblicke – Bilder –, die mich das Gleichgewicht verlieren lassen. Ich falle und ertrinke, immer wieder.
Auf einem dieser Bilder vögeln wir in der Sauna. Eva sitzt auf der obersten Bank, und ich stehe vor ihr. Es ist über neunzig Grad heiß im Raum, und ihr Körper glänzt im Zwielicht schweißgebadet. Es geht darum, wie hemmungslos sie es genießt, wie sie die Beine spreizt und sich zurücklehnt, um ihren offenen Mund und ihre geschlossenen Augen. Und es geht darum, wie sie dann die Augen öffnet und mir einen raschen Blick zuwirft, der verspielt und schamlos, aber auch schüchtern ist, er ist hingebungsvoll, aber zugleich sich selbst genug, er gibt sich dem Leben hin und nicht mir, und ich habe ihn niemals vergessen können.
Auf dem zweiten Bild ist es Morgen. Ich bin früh aufgewacht. Eva schläft auf der Seite, zur Wand gedreht, die Decke ist heruntergerutscht, Schultern und Rücken sind entblößt. Eine gefühlte Ewigkeit liege ich da und betrachte ihren schmalen Rücken, die Schulterblätter, die Haut, die kleinen Muttermale, einen einsamen roten Pickel.
Wir machten auch anderes. Wir saßen um drei Uhr nachmittags am Ufer, wenn die s/s Jäminki vorbeifuhr, und ich versuchte ihr zu erklären, was das Dampfschiff und seine Pfeife für mich bedeutet hatten. Ich weiß nicht, ob sie es verstand.
Wir gingen zum Verkaufswagen und kauften ein, es war windig, und der Wagen schlich sich still über die
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