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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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zum Serviertisch, öffnete eine Flasche Whisky und schenkte sich ein. Er sah mich fragend an, aber ich schüttelte den Kopf: Mein Weinglas war noch halbvoll. Anschließend ging er zur Balkontür und schloss sie, als hätte ihn die Furcht gepackt, seine Worte könnten von einem Unbefugten aufgeschnappt werden. Als er die Tür zugezogen hatte, sagte er:
    »Wir kamen nicht weiter. Und ich wollte weiterkommen. Eigensinn und Verrücktheit sind gut, ohne sie erschafft man nichts. Aber sie sind eben nur bis zu einem bestimmten Punkt gut. Ich bin Realist und weiß, wann es Zeit wird, weiterzugehen.«
    Manner beobachtete mich beim Sprechen, sein Blick war kühl geworden, und auch seine Stimme klang kühl:
    »Ich will immer noch weiterkommen, Frank. Wir unterhalten uns, und du darfst fragen, was du willst, aber danach lassen wir Ari und Addi hinter uns. Einverstanden?«
    Ich spürte einen Stich der Enttäuschung, versuchte jedoch, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Okay«, sagte ich, »aber ich habe viele Fragen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Du kannst damit anfangen, dein Glas auszutrinken und dir einen Whisky zu nehmen«, erwiderte Manner. »Ich habe gerade einen Lagavulin aufgemacht.«
    »War er unangenehm?«
    Manner zuckte zusammen, und ich erkannte, dass ich die Frage zu abrupt gestellt hatte. Dennoch beharrte ich: »War Ariel gefährlich, hatten die Leute Angst vor ihm?«
    Manner sah aus wie ein lebendes Fragezeichen:
    »Gefährlich? Ari?«
    Ich begriff, dass ich meine Frage erläutern musste, und gab Henrys Geschichte über Ariel und seine gespenstischen Anrufe in unserer Wohnung wieder.
    Manner musste lachen.
    »Aber er stotterte doch! Und je ängstlicher er war, desto schlimmer wurde es. Wenn er angerufen hat, um über dich zu sprechen, hat er bestimmt eine solche Heidenangst gehabt, dass er keine Silbe herausbekommen hat!«
    Seine Erklärung erleichterte mich eigenartigerweise. Ich glaube, Manner sah das, denn er fuhr fort:
    »Ari war netter, als gut für ihn war. Er war so nett und so leicht zu ängstigen, dass er manchmal dumm wirkte. Aber du darfst daraus keine falschen Schlüsse ziehen. Er hatte auch Talent. Er hatte etwas Eigenes, man hörte es in seiner Musik. Und das war wahrhaftig, es hatte nichts mit Reklamebildern und albernen Kleidern zu tun. Aber er …«
    »Er hat sich durch Drogen kaputtgemacht«, beendete ich den Satz.
    Manner sah mich an und nickte. Ich sah, wie erleichtert er war, dass ich Bescheid wusste – oder richtig riet, denn im Grunde wusste ich ja herzlich wenig – und er mir dies nicht eröffnen musste. Dann wurde sein Blick jedoch gequält.
    »Ari war wehrlos. Wirklich allem gegenüber. Und ich hatte versprochen, ihn zu beschützen. Aber ich …«
    Manner verstummte, kippte den restlichen Whisky in einem Schluck hinunter und grimassierte ein wenig. Die Grimasse hinderte ihn jedoch nicht daran, aufzustehen und die Flasche Lagavulin zu unserem Tisch zu holen.
    »Was passierte in Schweden?«, fragte ich. »In dem Herbst, in dem er verschwand.«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Manner.
    »Meinen Informationen zufolge bist du nach Schweden gereist und hast recherchiert, was …«
    »Meinen Informationen zufolge bist du nach Schweden gereist und hast recherchiert …«, ahmte Manner meine Stimme mit fast unheimlicher Präzision nach. »Er war mein Freund. Er war auch früher schon in Schwierigkeiten geraten. Natürlich bin ich nach Schweden gefahren, um herauszufinden, was passiert ist. Aber denkst du, ich hätte etwas erfahren?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Wenn du aufgewachsen wärst, wo ich aufgewachsen bin, würdest du es kapieren«, entgegnete Manner. »In dem Herbst damals war Ari nicht der Einzige, der verschwand.«
    »Hurme«, sagte ich.
    »Guter Junge!« Manner klang gereizt, und seine Stimme war schneidend: »In diesen Kreisen schließt man die Reihen, wenn etwas Ernstes passiert. Und die Sache war ernst. Ich habe eine Menge Geschichten darüber gehört, was diese Bande damals getrieben hat. Bei denen ging es nicht mehr nur darum, ein paar Schnapsflaschen zu verhökern, es ging um Schmuggel im großen Stil, um Drogenhandel …«
    »Nette Jobs für den netten Ariel«, sagte ich und sprach die Worte möglichst sarkastisch aus.
    Manner warf mir einen wütenden Blick zu, und ich sah, dass es ihm schwerfiel, sich zu beherrschen. »Ari war nur ein Handlanger«, erklärte er. »Einer von vielen. Wenn du mich fragst, glaube ich nicht, dass er wusste, was er da an Land

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