Geh nicht einsam in die Nacht
Hilfe und übersetzte.
Und wir haben es nicht einmal versucht, niemals …
Unterzeichnet: Addi.
»Sie schrieb mir sonst nie«, erläuterte Manner. »Wir sahen uns, wenn wir uns sahen, und dann unterhielten wir uns. Es war das einzige Mal, dass sie mir schrieb.«
»Du kannst Französisch?«, wollte ich wissen.
»Ich verstehe, was da steht.«
Wir unterhielten uns stundenlang. Manner hörte auf, Whisky in sich hineinzukippen, und trank stattdessen Wasser. Ich folgte seinem Beispiel, denn ich wollte mir alles merken. Wir sprachen über Ariel, und ich erfuhr, dass meine richtige Großmutter Lydia Wahl hieß und Mitte der siebziger Jahre, vermutlich an Krebs, gestorben war. An einen Großvater konnte Manner sich nicht erinnern. Er hatte sich als Jugendlicher mit Ariel angefreundet, und es hatte immer nur Ariel und Lydia gegeben, wenn überhaupt. Als es um Ariels Lebensumstände und darum ging, was Lydia so trieb, antwortete er einigermaßen einsilbig, und ich konnte mir auf der Basis dessen, was er nicht sagte, ziemlich viel zusammenreimen.
Am Ende sprachen wir vor allem über Adriana. Manner erzählte von ihren letzten Monaten, in denen sie sich von allen zurückgezogen hatte, auch von ihm, damals im Winter und Frühjahr. Und er erzählte von den Erinnerungen, die ihr grausamer Tod in ihm wachgerufen hatte: Eine Filmdiva, die er einmal interviewt und in die er sich verliebt hatte, war viele Jahre zuvor in ähnlicher Weise umgekommen.
»Sie waren beide nur Geist, Ari und Addi, solche Luftmenschen gibt es heute nicht mehr«, sagte Manner, als er Decke und Laken für mich herausgesucht und ins Arbeitszimmer gebracht hatte. Wir saßen auf dem Balkon und nahmen einen Schlummertrunk, einen letzten Lagavulin. Es dämmerte bereits, die Nächte waren so in jenen Jahren, sie waren immer zu kurz, und man übernachtete auf den Couchen und in den Gästebetten anderer, obwohl es bis nach Hause eigentlich gar nicht so weit war.
»Ich hatte doch versprochen, sie zu beschützen«, fuhr Manner fort. »Aber das ist mir nun wirklich nicht gelungen.«
»Du hattest auch versprochen, Adriana zu beschützen?«, fragte ich.
»Nicht ausdrücklich. Sie hätte mich nur ausgelacht, wenn ich versucht hätte, den Ritter zu spielen oder so. Aber ich hatte mir selbst geschworen, mich um sie zu kümmern.«
Er blickte auf die dämmerungsgraue Kronbergsfjärden hinaus und ergänzte:
»Es ist schon seltsam, welche Abdrücke manche Menschen in einem hinterlassen. Und dass Lücken so schwer wiegen können.«
* * *
Pete Everi und ich begannen in jenem Sommer, Badminton zu spielen. Jeden Donnerstag trafen wir uns in einer Halle draußen in Tali, zu der jeder von uns im eigenen Auto fuhr, ich von der Döbelnsgatan aus, Pete aus dem Stadtteil Kvarnbäcken kommend, wo er mit seiner Familie wohnte.
Wir entschieden uns für Badminton, weil es ein Spiel war, das wir als Jugendliche ausprobiert hatten. Der Federball war leicht zu schlagen und fiel so langsam, dass wir Ballwechsel zustande brachten, obwohl uns beiden jeder Sinn für das Spiel fehlte. Im Grunde bildete der Sport nur einen Vorwand, um unsere Freundschaft wiederaufleben zu lassen. Es funktionierte. Das Spiel wurde zu einer angenehmen Abendroutine, und trotz einiger längerer Unterbrechungen sollten wir knapp zwanzig Jahre an unserer Donnerstagsstunde festhalten.
Trotzdem erkannte ich relativ schnell, dass nichts mehr so werden würde wie früher. Unsere Verbundenheit in Tallinge war einmalig gewesen, genauso wie jene, die wir ein paar Jahre später mit Eva Mansnerus geteilt hatten. Pete und ich waren damals Seelenverwandte gewesen, und unsere Freundschaft hatte mühelos jede Kluft überbrückt, zum Beispiel, dass ich in einer Eigenheimsiedlung wohnte und Pete in einem der Hochhäuser oder dass er in die finnischsprachige Schule ging und ich in die schwedischsprachige. Nun, da ich fünfundzwanzig und Pete siebenundzwanzig war, zeigte sich, wie viel schwerer es sich überbrücken ließ, dass ich Junggeselle war und Pete Familienvater, dass ich in Tölö wohnte und er in den östlichen Vororten, und ich schrieb, was ich schreiben wollte, während Pete schrieb, womit er Geld verdienen konnte.
Petes Probleme waren teilweise hausgemacht. Es ging nicht darum, dass er so jung Vater geworden war. Natürlich beklagte er sich über Mittelohrentzündungen und den Krach daheim, liebte seine Kinder aber natürlich trotzdem. Allem anderen stand er jedoch negativ gegenüber. Ich kannte Leute in der
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