Geh nicht einsam in die Nacht
Branche und wusste, dass Pete gefragter gewesen wäre, wenn er sich nicht ständig über seine Arbeitsbedingungen, die Höhe seiner Honorare, den Inhalt der Zeitungen, für die er arbeitete, über einfach alles beschwert hätte. Pete war einmal ein Mann der Zukunft gewesen, lief jetzt jedoch bereits Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten.
Er machte keine Musik mehr, hatte seine Gitarren verkauft. Als ich ihn nach dem Grund dafür fragte, antwortete er: »Um ein Haar wäre wirklich etwas daraus geworden. Aber ich habe keine Lust herumzuschrammeln, wenn doch nichts daraus wird.« Ich entgegnete, diesen Satz hätte ich schon öfter gehört, von Journalisten, Sportlern und Musikern, und er verrate, dass der Sprecher niemals geliebt habe, was er gemacht habe, sondern nur in den Gedanken verliebt gewesen sei, ein Star zu werden. Pete fauchte, ich wisse nicht, wovon ich redete, denn erstens hätte ich mich nie getraut, von ganzem Herzen auf etwas zu setzen, und zweitens liefe ich mit einem silbernen Löffel im Arsch herum. Ich hätte möglicherweise den Löffel geschluckt, den ich im Mund habe, sei aber trotzdem mit einem geboren worden. Es war ein seltsamer Kommentar, aber Pete wollte mir damit vermutlich sagen, dass Henrys und Leenis sozialer Aufstieg auf halbem Weg stecken geblieben war.
Als Petes alter Datsun eines Donnerstags nicht anspringen wollte, holte ich ihn ab. Das Hochhaus hätte ebenso gut in Tallinge stehen können, und als ich klingelte und in den fünften Stock hochfuhr, erschien mir alles vertraut: die braunen Furniertüren, der Geruch von Bohnerwachs, das leise Surren des Aufzugs, alles war gleich. Als Pete die Tür öffnete, trat ich ins Chaos. Allein die Menge der Schuhpaare war atemberaubend, in dem kleinen Eingangsflur lagen mindestens zwanzig Paare, die einzelnen Schuhe lagen wüst durcheinander, und die meisten waren winzig klein. Petes Frau tauchte aus dem Inneren der Wohnung mit einem verheulten Kind im Arm auf und stellte den Kleinen als Immu und sich selbst als Anni vor. Anni war klein und blond und sah sympathisch aus, aber die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten den Schlafmangel. Während wir im Flur standen, schluchzte Immu unablässig und wischte sich mit einer schmutzigen und knubbeligen Hand die Tränen aus den Augen. Ein anderes Kind hing wie eine Klette an Petes Bein und versuchte, ihn daran zu hindern, seine Sachen zusammenzusuchen. Jetzt lass schon los, Aleksi, der Papa kommt doch bald wieder zurück, versuchte Pete es, aber Aleksi umklammerte sein Bein nur noch fester und glotzte mich an, ohne zu blinzeln. Sein Blick war vorwurfsvoll, als wäre ich ein Kidnapper, der im nächsten Moment seinen Vater entführen würde. Als wir gehen wollten, heulte Immu laut los. Aleksi stimmte in das Geheul ein, und aus dem hinteren Teil der Wohnung ertönte eine gellende Mädchenstimme: Mamaa! Mamaa! Ich verabschiedete mich von Anni und tätschelte unbeholfen den Kopf des weinenden Immu. Pete hatte Aleksis Arme von seinem Bein gelöst und den Jungen in Annis Richtung geschoben. Ich wollte gerecht sein und bückte mich, um auch Aleksi zu streicheln, aber er zog sich wie von der Tarantel gestochen zurück. Er starrte mich unverwandt an, und ich hatte ihn immer noch nicht blinzeln sehen.
»Ein kleiner Einblick ins wahre Leben«, bemerkte Pete, als wir ins Auto gestiegen und auf die Umgehungsstraße gefahren waren. Sein heiterer Tonfall klang bemüht, und als er weitersprach, verschwand er völlig: »Wir bekommen übrigens noch eins.«
»Ein viertes?«, sagte ich. »Du hast wirklich gute Schwimmer.«
»Offensichtlich«, murmelte Pete an meiner Seite.
»Sag mal, warum blinzeln Kinder eigentlich nie?«, fragte ich.
»Du meinst Aleksi? Leute anstarren kann er gut. Aber natürlich blinzelt er. Kinder haben Lider, sie sind keine Schlangen.«
So entspannt konnten wir uns nicht immer unterhalten. Pete scherzte oft über seinen anstrengenden Alltag und Annis Fruchtbarkeit, aber wenn ich darauf einging, wurde er kurz angebunden und feindselig und begann, über meine Naivität und meinen unreifen Lebensstil zu sprechen, und unterstellte mir häufig, meine Unreife werde in allem greifbar, was ich schreibe, meine Texte seien die Werke eines Jünglings, keines Mannes. Seine Andeutungen trafen meinen wunden Punkt – Pete und ich hatten immer indirekt miteinander sprechen können, aber so, dass der andere genau verstand –, und ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht mit seiner Biederkeit und
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