Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
Vom Netzwerk:
direkt, in ihrem Sprachgebrauch dagegen maßvoll. Sie war keine falsche Romantikerin, die vorgab zu lieben, wenn sie es nicht tat. Aber sie war auch keine Jinx Muhrman, die mackerhafter zu sein versuchte als die Macker selbst. Manchmal machte Eva knappe und sachliche Bemerkungen auf eine so sinnliche Art, dass ihre Worte mich in den Grundfesten erschütterten. »Ich war einsam in Rom, ich brauchte jemanden, mit dem ich schlafen konnte«, hatte sie auf meine Frage geantwortet, wie ihre Beziehung mit Botschafts-Laine begonnen hatte.
    Ich hatte nie das Wort lieben aus Evas Mund gehört, wusste jedoch, dass es in ihr steckte. Ich hatte sie sowohl bumsen als auch vögeln sagen hören, aber immer ganz natürlich, ohne Umschweife.
    Das Wort »ficken« aus Eva Mansnerus’ Mund und in Verbindung mit mir bedeutete nun aber, dass ich meine Chance wieder einmal nicht genutzt hatte.

6
    ALS EVA MICH EINES SONNTAGS Anfang Mai anrief, hatten wir uns über einen Monat nicht mehr gesehen oder miteinander gesprochen. Eine ungewöhnliche Wärme hatte sich über die Stadt gelegt. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab, und es war fast fünfundzwanzig Grad warm. Eva wollte zum Meerufer hinuntergehen und sich sonnen. Sie wolle mir einen Vorschlag machen, meinte sie, einen Vorschlag, der mir vermutlich sowohl gefallen als auch missfallen werde.
    Ich wollte ihren Vorschlag im Grunde nicht hören.
    Ich wollte im Grunde nicht hingehen.
    Ich ging trotzdem.
    Wir trafen uns bei den Tennisplätzen an der Bucht Edesviken. Eva hatte einen Picknickkorb dabei, trug ein dünnes helles Hemd und einen ebenso dünnen Rock, darunter leuchtete dunkel ihr Bikini. Sie wollte zum Sanduddsufer gehen, in dessen Richtung sich ein steter Strom von Menschen bewegte. Ich schüttelte wegen der Menschenmenge den Kopf und schlug stattdessen die Felsen nahe Väiski vor. Eva schnitt kurz eine Grimasse, gab aber nach.
    Wir lagen in einer Felsspalte, aßen Brote und tranken Rosé. Die Sonne brannte auf meiner winterbleichen Haut und erschien mir gefährlicher als früher. Der vierte Reaktorblock in Tschernobyl war in die Luft geflogen, und ganz Europa sprach über Cäsium und Strontium und grübelte darüber nach, wo sich der unsichtbare Tod versteckt haben könnte. Wie hatten sich die Luftströme bewegt, aus welcher Richtung hatte der Wind geweht? Wo hatte es geregnet, was nahm mein Körper in diesem Moment auf?
    Eva wollte, dass wir zusammen verreisten wie zwei Sommer zuvor.
    »Aber nicht zu Onkel Cedric«, erklärte sie. »Er ist vor einem Monat gestorben.«
    Ich sagte ihr, dass ich nicht recht wisse, ob ich das wolle.
    »Wir fahren als Freunde«, meinte sie. »Als Kameraden. Kein Chaos mit Sex und Eifersucht und so.«
    Eva lag auf dem Rücken, als sie das sagte, ihre Augen waren im grellen Sonnenlicht geschlossen. Ich lag auf der Seite, auf meinen Ellbogen gestützt, wir lagen auf einer Decke, aber der Fels drückte trotzdem gegen die Hüfte. Sie trug einen hellroten Bikini und hatte hübsch gebräunte Arme und Beine und einen ebenso braunen Bauch, sie musste im Frühjahr ins Solarium gegangen sein. Um ihren Nabel herum wuchsen kleine, helle Flaumhaare, etwas tiefer, am Bund des Bikinis, wurden sie ein wenig dunkler. Ich dachte an ihre Art zu reisen, wie sehr es sie zu lauten Cafés und belebten Plätzen, zu buntem Treiben und Faxen hinzog. Ich dachte an mich selbst in verlassenen Bars in verregneten Städten und an meinen Blick, den es stets zu dem Clown hinzog, der keinen zum Lachen brachte, und zu dem Zauberer, dessen Tricks niemand sah.
    Eva seufzte ein wenig. Es war ein wohliger Seufzer, ihre Augen blieben geschlossen. Auf Schultern und Bauch glänzten kleine Schweißperlen. Ich stellte mir dreißig keusche Nächte mit ihr in spanischen Betten mit kunstvoll gedrechselten und reich verzierten Kopf- und Fußenden vor. Ich stellte mir vierzig Grad, dünne, weiße Laken und Eva vor, die mit einem um den Kopf gewickelten Turban aus dem Badezimmer kam. Ich wollte nicht. Ich wollte. Ich wollte nicht. Ich holte tief Luft und bot all meine Willensstärke auf, um ihr zu sagen, dass ich nicht könne, dass ich den ganzen Sommer arbeiten und Geld verdienen müsse, ich sagte:
    »Okay, ich komme mit.«
    Wir wollten Anfang Juli fahren. Kurz nach Mittsommer einigte ich mich mit Manner und dem Redaktionsleiter eines Reisemagazins auf zwei große Artikel.
    Ich rief Eva nur drei Tage vor unserer geplanten Abreise an. Am Telefon sagte sie kaum etwas, bemerkte nur

Weitere Kostenlose Bücher