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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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grüne Farbe und die Tatsache, dass Ariel sich die Herkunft der Gitarre betreffend verplapperte, gab es eine Erklärung. Als Ariel am Morgen aufwachte, war er mindestens genauso nervös gewesen wie Adriana. Lydia war nicht zu Hause, Björk folglich auch nicht, und Ariel hatte sich Kaffee und Weißbrot gespart und war stattdessen mit Hilfe einiger Schlucke billigen Weins aus der Flasche, die er in seinem Zimmer im Wandschrank versteckte, vor seiner inneren Unruhe geflohen. Anschließend war ihm eine Idee gekommen, und er hatte die Schranktür geöffnet und in den Kleidern gewühlt. Er suchte das Taschentuch mit den Tabletten heraus und schluckte zwei von ihnen, die er mit noch mehr Wein hinunterspülte. Er wusste nicht, wozu diese Pillen eigentlich gut waren, aber wenn sie Hullu-Hurme wichtig gewesen waren, hieß dies, dass sie sich profitabel verkaufen ließen, was wiederum bedeutete, dass sie irgendeine Form von Wirkung haben mussten, die seine Kunden angenehm und erstrebenswert fanden. In der Tat. Eine knappe Stunde später saß Ariel in einem Bus, der gemächlich in nordwestliche Richtung kurvte. Auf dem Nachbarsitz standen der Gitarrenkoffer und der Morris-Verstärker, und vor dem Fenster breitete sich eine zartgrüne Frühlingslandschaft aus, eine sprießende Welt ausschlagender Bäume, die er seltsam schimmernd und gleichsam schwerelos fand. Er sah die Welt da draußen mit neuen Augen, sie war in einen Nebel gehüllt, einen milchigen Dunst. Dennoch schimmerte sie so schön und sah aus wie eine Illustration zu einem sanften und freundlichen Märchen. Auch der Bus erschien ihm schwerelos, zeitlos, Ariel hatte keine Ahnung, wie lange die Fahrt nach Sockenbacka hinaus dauerte, es hätten Stunden, ein paar Minuten, es hätte ein Tag sein können. Der Bus und Ariel flossen förmlich durch die Märchenlandschaft da draußen, und es gab keinen Fahrer und keine übel riechenden und gereizten Städter in dem Gefährt, es fuhr von selbst, und in ihm befand sich allein der schläfrige Ariel und all die Töne in seinem Kopf und die grünen Farben, die ihn umgaben, und er floss weiter: Als er die wenigen Häuserblocks bis zu dem Haus im Gjuterivägen ging, hatte er sogar das Gefühl zu schweben, und als er ins Zwielicht des Studios trat, schwebte er noch immer.
    Jouni Manner musste in die Bresche springen und den Produzenten Untamo Tuomi und den skeptischen Direktor besänftigen und ihnen erklären, obwohl seine Sangeskollegen fast unnahbar und unzurechnungsfähig wirkten, würden sie sich, noch bevor die Glocken im Dom von Åbo zwölf geschlagen hätten, ihrer Aufgabe gewachsen zeigen. So seien Ari und Addi nun einmal, erläuterte Jouni, sie seien ein bisschen seltsam, aber wenn es darauf ankomme, würden sie sich zusammenreißen. So lauteten Jounis Worte, und äußerlich war ihm nicht das Geringste anzumerken, seine Stimme war ruhig, die Fassade untadelig. Insgeheim dachte er jedoch, und es war das erste Mal, dass er sich dabei ertappte, so von Ariel und Adriana zu denken: Sie sind schwach. Ich habe mich mit schwachen Menschen umgeben. Das ist ein Fehler gewesen. Solche Fehler darf ich nicht machen.
    Das Studio von Sonovox war geräumig und hochmodern. An der einen Längswand befanden sich zwei isolierte Boxen, eine für Schlagzeug oder E-Gitarre und eine für die Sänger, und unter dem Studio lag ein großzügig bemessener Hallraum. Ihnen standen zwei vierspurige Aufnahmegeräte zur Verfügung, und die Mikrofone und das Mischpult waren von bester Qualität. Die meisten Studiomusiker waren jung. Einige von ihnen, wie Jugi Eskelinen, der Schlagzeuger Santtu Wuori und der Pianist Aslak Österholm, sollten später zu mythischen Gestalten werden, aber in jenem Frühjahr waren sie noch nicht ganz trocken hinter den Ohren. Sie erkoren Ariel zur Zielscheibe ihres Spotts, und in den ersten Stunden der Aufnahmesession machten sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig. Sie nannten ihn »Der Schatten« und »Der schwule Troll«, weil er die Studiowände entlangschlich wie ein klapperdürres oranges Gespenst und die hellen und wirren Haare sein länglich schmales Gnomgesicht wie eine dünne Wolke umschlossen. Als Ariel in dem Glauben, ihn bei der Studioarbeit benutzen zu dürfen, den kleinen Morris herausholte, wurden sie noch höhnischer. Jugi Eskelinen und der Tontechniker Tapsa erkannten sofort, dass es ein Verstärker Marke Eigenbau war und die Metallbuchstaben mit dem Namen Morris eingeschweißt worden waren, um irgendeinen

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