Geh nicht einsam in die Nacht
nie gewollt, Björk, Näätänen und Savikko und all die anderen Männer nicht, die Kochnische in Rödbergen genauso wenig wie diese Bruchbude.
Und trotzdem. Jahr für Jahr für Jahr.
Bis jetzt.
Es würde schon werden. In Stockholm musste er nur darauf achten, Hurme und Suhonen aus dem Weg zu gehen, es kam darauf an, nicht bei Leuten hängen zu bleiben, die einen bei ihrem Absturz mitrissen.
Am nächsten Morgen – für Ariel war es Morgen, in Wahrheit war es schon fast elf – stand er mit seinen zwei gitarrenförmigen schwarzen Ledertaschen im Flur. Seine restliche Habe hatte er in eine einfache Umhängetasche gepackt, und das Geld, ein dünnes Bündel Geldscheine, trug er in der Hosentasche. Die Tabletten und ein Piece Haschisch hatte er in der Toilette hinuntergespült. Er hatte nur noch wenige Tabletten übrig gehabt und empfand es als eine Erleichterung, das Ganze im Wasserwirbel verschwinden zu sehen. Er betrachtete die Gitarrentaschen und wusste, dass er sich entscheiden musste, er konnte nur eine behalten. Die Vernunft behielt die Oberhand. Die Impala erforderte einen Verstärker, die Levin nicht. Außerdem war der Traum vorbei, er benötigte eine Gitarre, um Lieder texten zu können, für nichts sonst.
Das Telefon in der Wohnung war tot, niemand hatte die Rechnung bezahlt. Er rief Adriana aus einer Telefonzelle am Hagnäs torg an, und zu seiner Überraschung meldete sie sich, obwohl es mitten am Tag war.
»Wie lange bist du zu H-Hause?«, fragte Ariel.
»Den ganzen Tag«, antwortete Adriana, »mir geht es nicht gut. Wieso?«
»Ich hab hier was für dich.«
Als er aufgelegt hatte, blieb er in der Zelle stehen und wägte ab, ob er auch Jouni kurz anrufen sollte, verzichtete jedoch darauf: Um diese Uhrzeit würde Jouni ohnehin keine Zeit haben, mit ihm zu reden.
Er nahm die Straßenbahn, die Gitarren waren schwer.
»Wie blass du bist«, sagte er, als Adriana ihm geöffnet hatte und sie an ihrem Esstisch saßen, Tee tranken und Butterkekse aßen. Anfangs waren sie schüchtern gewesen, Ariel hatte jedes Mal gestottert, wenn er versuchte, etwas zu sagen, und Adriana hatte die meiste Zeit auf den Tisch gestarrt. Inzwischen ging es aber schon besser.
»Mir ist es nicht so gut gegangen«, meinte sie. Sie schaute aus dem Fenster und biss sich auf die Lippe. »Ich bin … ich weiß nicht …«
»Du solltest aufhören, mit diesen F-Fotografen zu arbeiten«, sagte Ariel. »Die Bilder fressen dich auf.«
»Das ist es nicht«, entgegnete Adriana. »Es geht um eine Menge anderer Dinge … Tja, ich werde mit irgendwem reden und ihn um Rat bitten müssen, ich weiß nur nicht, mit wem.« Sie verstummte, nickte zu dem Gitarrenkoffer hin, der im Fernsehsessel lag, und sagte: »Die Levin wäre mit eigentlich lieber gewesen. Auf der könnte ich spielen. Warum verkaufst du die E-Gitarre nicht? Du brauchst doch Geld, wenn du ins Ausland gehen willst.«
»Ich kann nicht«, sagte Ariel. »Ich habe so lange auf sie gewartet.«
»Wie du willst«, erwiderte Adriana und zuckte mit den Schultern. »Ist doch klar, dass ich sie für dich aufbewahre. Aber sie gehört immer noch dir, du bekommst sie zurück, wenn du wieder nach Hause kommst.«
»Nach H-Hause?«, sagte Ariel.
Auf der Fähre hatte er keinen Kabinenplatz und fand keinen Schlaf. Mitten in der Nacht gab er auf und lief in den Korridoren auf und ab, stand lange an einem Fenster und betrachtete das sanft wogende Meer. Dann ging er zu dem geschlossenen Café und ließ sich auf einen Stuhl in einer Ecke fallen. Nur er und zwei Männer am anderen Ende des Raums waren anwesend, die Männer unterhielten sich leise, und im ersten Moment sah Ariel nicht, wer der eine war. Zerstreut und verstohlen schaute er noch einmal zu ihnen hinüber, und dann wusste er es. Die wirren, üppigen Haare. Die großen braunen Hände, die auf der Tischplatte ruhten. Das bunte Hemd, die Cowboystiefel, der Hut. Ariel erstarrte, ein Stromstoß durchzuckte seinen Körper. Jimi Hendrix, der Gitarrenschamane, an Bord von Bore III ! Das ist eine Erscheinung, ein Omen, ein gutes Zeichen, dachte Ariel, das werde ich auf meiner Reise, ja mein ganzes Leben in mir tragen! Er saß mucksmäuschenstill und versuchte, in eine andere Richtung zu schauen und gleichzeitig aufs Äußerste die Ohren zu spitzen, um zu hören, was Hendrix und der andere sagten, aber die Entfernung war zu groß. Er konnte hören, dass Hendrix ruhig und höflich redete und der andere, ein weißer Mann, ein wesentlich kargeres
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