Geheimakte Proteus
Zellenschloss. »Sieht nach einem Kombinationsschlüssel aus.«
»Verdammt«, sagte Tristan. »Dieser Beamte hätte das gewusst, aber dank Callin redet er jetzt nicht mehr.«
»Niemand von der Polizei kann helfen«, sagte Okasan. »Ein FA-Commander namens Streig hat das Schloss neu codiert, nachdem er mich hier abgesetzt hat. Nur er kann diese Tür öffnen.«
»Und wo ist er?«
»Das weiß ich nicht.«
»Na gut«, sagte Krek. »Dann müssen wir es eben auf die harte Tour probieren.« Er wandte sich an einen Mimik in einer Blutegelmasque. »Hol den Schneidlaser.«
»Nein!«, rief Okasan. »Das dauert viel zu lang, und ihr habt keine Zeit. Die Polizei wird in Kürze einen Gegenangriff unternehmen. Ihr müsst weg!«
»Ja«, sagte Tristan. »Sobald wir dich da rausgeholt haben.«
»Lasst mich hier! Ich kann weder euch noch sonst jemandem mehr nützen.«
»›Nützen‹? Was hat das denn damit zu tun?«, fragte Krek. »Du bist unsere Mutter.«
Der Egelmimik kam jetzt mit dem Schneidlaser zurück und begann, ihn aufzubauen.
»Bitte, hört mir zu«, sagte Okasan. »Lasst mich hier und rettet euch.«
Krek klopfte dem Egelmimik auf die Schulter und zeigte auf die unterste Stange an der Tür. »Fang damit an – ganz außen am Rand, wo die Stange im Türrahmen verankert ist.«
Als der dünne rote Strahl sich in das Metall zu fressen begann, wandte sich Krek wieder an Okasan.
»Jetzt will ich dir sagen, wie es ablaufen wird. Wir schneiden die Stangen ab, angefangen ganz unten, und arbeiten uns nach oben vor. Sobald genügend Platz ist, legst du dich auf den Boden, wir packen dich an den Händen und ziehen dich durch. Das dauert nicht lange.«
»Aber das ist nicht notwendig. Mir passiert hier nichts. Die haben sich das, was sie wollten, bereits von mir genommen.«
»Das Gen?« Eine Welle der Verzweiflung schlug über Tristan zusammen. »Die haben den 662RHC-Spleiß?«
Okasan nickte traurig. »Sie sind in mein Bewusstsein eingedrungen und haben alles kopiert, was sie wollten. Und deinen Datameister haben sie dazu benutzt, es zu speichern.«
»Lani?« Tristan sprang auf die Tür zu und klammerte sich an die Gitterstäbe. »Sie ist hier? Wo?«
»Das weiß ich nicht genau. Sie könnte noch im Datensessel sein. Ich habe Angst um sie, Tristan.«
»Angst?« Er spürte eine bleischwere Last in der Magengrube. »Warum? Sie werden sie nicht liquidieren – als Datameister ist sie viel zu wertvoll.«
»Das ist wahr«, sagte Okasan. »Aber ich habe gehört, wie Streig gesagt hat, dass sie eine Komplizin sei und man ihr deshalb nicht mehr vertrauen könne.«
»Aber was bedeutet das? Die werden ihr doch nichts zu Leide tun, oder?«
Okasan wandte sich ab. »Das wäre nicht das erste Mal, dass Flagge Datameister compt, die unkooperativ geworden sind.«
»Nein!«
Tristan ließ die Gitterstäbe los und sank gegen eine Wand. Er schloss die Augen und presste den Hinterkopf an die kühle Metallfläche, spürte, wie bittere Galle in seiner Kehle aufstieg.
Lani … gecompt … das bedeutete Deaktivieren des Hirnstamms und Computerkontrolle all ihrer lebenserhaltenden Funktionen … sie würde auf diese Weise am Leben und bei Bewusstsein bleiben, aber völlig von ihrem Körper abgeschnitten sein.
Bewusstsein … Aber nicht lange. Das Grauenhafte ihrer Existenz in Verbindung mit einer gnadenlosen Überlastung ihres Gehirns im Datencenter würde dem bald ein Ende machen. Ihre Intelligenz würde davonschmelzen, und ihr Bewusstsein würde in einen bodenlosen Abgrund der Psychose stürzen.
»Um ihre Befreiung solltet ihr euch kümmern«, sagte Okasan. »Nicht um mich.«
»Was meinst du?«, fragte Tristan.
»Nein. Nicht solange Okasan nicht frei ist.«
»Aber selbst, wenn ich Lani nicht finde, kann ich im Datencenter einigen Schaden anrichten. Vielleicht gelingt es mir sogar, ihre Kopie der Loyalitätsgen-Sequenz zu zerstören.«
»Lass ihn gehen, Krek«, sagte Okasan.
Der Mimikanführer sah auf die Stelle, wo der Laser immer noch an der ersten Stange im Einsatz war.
»Wie geht es voran?«
»Langsam«, antwortete der Egelmimik. »Ich weiß nicht, was das für eine Legierung ist, aber das Zeug ist jedenfalls zäh.«
»Also gut«, sagte Krek zu Tristan. »Das wird hier länger dauern, als ich dachte. Geh und sieh nach, ob du sie finden kannst. Und richte möglichst viel Schaden an. Aber eines muss dir klar sein: Sobald Okasan frei ist, verschwinden wir hier – ob du dabei bist oder nicht.«
»Verstanden«, sagte Tristan.
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