Geheimauftrag: Liebe
sich alles gemerkt, was ihnen merkwürdig vorkam.«
Dennis schaute seine Mutter an. »Ma, wir haben Sid nirgendwohin geschickt, ehrlich nicht.«
»Aber …« Mutter Gibbs blinzelte, dann sah sie zu Charles. »Sid ist gestern Abend, als es noch hell war, gegangen. Hat Bertha gesagt, er wollte einen Spion beobachten. Sie dachte …« Die Alte machte einen Schritt zur Seite und setzte sich schwerfällig auf einen Hocker; alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht. »O je.«
Charles musste ihr beipflichten. Er fing Dennis’ Blick auf. »Irgendeine Idee, was sich Sid in den Kopf gesetzt haben könnte? Wen er im Auge behalten wollte?«
Grimmig schüttelte Dennis den Kopf. »Mit mir hat er nicht gesprochen.« Er blickte seine Brüder an, aber beide schüttelten den Kopf.
Dennis seufzte. »Sid juckt es schon eine Weile, mit uns herumzuziehen, aber«, er deutete mit dem Kopf zu seiner Mutter, »wir haben ihn immer abgewimmelt. Kann sein, dass er gehört hat, was vor sich geht, und es dann auf eigene Faust versuchen wollte.«
Charles blickte Dennis ins Gesicht. »Wir müssen ihn suchen.«
»Aye.« Dennis schaute zu seinen Brüdern. »Das denk ich mir auch.«
In ihren Stimmen schwang tiefe Sorge mit. Penny drängte sich an Charles vorbei, ging neben der alten Frau in die Hocke, während die Männer die Suche zu organisieren begannen.
Mutter Gibbs faltete die Hände in ihrem Schoß, und Penny legte ihr eine Hand darauf. »Wir können nichts tun, als zu warten – sie werden ihn finden.«
Die Frau blinzelte. »Berthas Sam ist auf See verschollen – daher war sie so strikt dagegen, dass Sid mit den anderen hinausfährt. Wenn ihm jetzt etwas geschehen ist, dann wird sie außer sich sein und es sich nie verzeihen.«
Penny wünschte, sie hätte irgendwelche tröstenden Floskeln parat, aber wenn es um diesen Mann ging – den Mörder, der sich in den vergangenen Wochen frei unter ihnen bewegt hatte – , konnte sie keinen Funken Hoffnung in sich entdecken.
Sie schaute auf und hörte, wie Charles versprach, dass sich die Stallburschen aus der Abbey und von Wallingham Hall an der Suche beteiligen würden. Er blickte zu ihr hinüber.
»Wir müssen zurück.«
Sie nickte und stand auf, ließ ihre Hand noch einen Moment auf der von Mutter Gibbs liegen. Wie bei den früheren Begegnungen hatten die drei Brüder getan, als sei sie gar nicht existent. Also drückte sie jetzt lediglich der Alten zum Abschied die Hand und folgte Charles.
Er brachte sie aus dem Haus, ging eilig mit ihr zum Gasthof, wo er die Stallknechte über die geplante Suchaktion informierte, dann waren sie auch schon auf dem Weg zurück, bemüht, ihr Ziel so schnell wie möglich zu erreichen.
Die Neuigkeiten riefen bei allen Beunruhigung hervor, und niemand teilte Nicholas’ Vermutung, es könnte sich lediglich um einen Zufall handeln.
Obwohl niemand ihm offen widersprach, blieben die Mienen skeptisch, und Penny beschlichen sogar düstere Ahnungen.
Kurz nach dem Lunch traf ein Bursche aus der Abbey ein und überbrachte eine Nachricht von Dalziel. Charles nahm sie entgegen und schickte den Boten mit der Anweisung zurück, dass die Leute auf seinem Besitz das Gelände am Flussufer von der Mündung bis zu den Burgruinen absuchen sollten.
Er schaute ihm nach, bis er außer Sichtweite war, um sich dann in Ruhe Dalziels Brief zu widmen.
Penny wartete bereits in der Eingangshalle auf ihn und folgte ihm auf seinen Wink hin zur Bibliothek, wo die anderen drei bereits zusammensaßen. Alle beobachteten gespannt, wie er zum Schreibtisch ging, das Briefmesser nahm und das Päckchen aufschlitzte.
Ohne sich hinzusetzen, breitete er die Blätter aus und begann zu lesen. Am Ende des zweiten Bogens angekommen hob er den Kopf und schaute in die erwartungsvollen Gesichter. »Carmichael unterhält keinerlei Verbindung zu irgendwem, der verdächtig erscheint; zudem hat er im Krieg einen Bruder und zwei Cousins verloren. Drei Freunde haben bestätigt, dass er seit mehr als sechs Monaten mit dem Gedanken spielt, Imogen Cranfield zu heiraten. Alles in allem glaube ich, dass ihn das auf unserer Liste der Verdächtigen weit nach unten rückt.«
Nach einem Blick auf das nächste Blatt kam er um den Schreibtisch herum und setzte sich. »Fothergill … Sie überprüfen es noch, konnten aber bislang nichts Auffälliges entdecken. Die Familie ist ziemlich groß und weit verzweigt – daher haben sie Probleme, den richtigen Zweig zu finden. Was Gerond angeht, so berichtet Dalziel,
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