Geheimauftrag: Liebe
Gedanken. Daher ist er auch in die Armee eingetreten, um gegen Napoleon zu kämpfen. Es war nur ein weiteres Abenteuer für ihn. Dass es da einen Widerspruch geben könnte, auf die Idee wäre er gar nicht gekommen.«
Er glaubte, dass sie sich täuschte, doch sie hatte sich dazu durchgerungen, die Sache so zu sehen, obwohl es schmerzlich war. Besonders falls sich herausstellen sollte, dass auch ihr Vater indirekt beteiligt war.
Aber das war nicht von unmittelbarer Bedeutung, zumindest nicht für ihn. Ihn interessierte nur der einzige noch Lebende, nämlich Nicholas, und warum er in der ganzen Gegend herumschnüffelte.
Sie betrachtete ihn prüfend. Ehe er etwas sagen konnte, ergriff sie wieder das Wort. »Falls Granville als Verräter gebrandmarkt
wird, selbst posthum, werden Elaine und ihre Töchter aus der Gesellschaft ausgestoßen, und weder Emma noch Holly dürften darauf hoffen, eine anständige Partie zu machen. Kein Gentleman würde die Schwester eines Landesverräters heiraten wollen.«
Sie machte eine Pause, dann fügte sie hinzu, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen: »Mir wäre es auch lieber, wenn ich nicht als Halbschwester eines Verräters bekannt wäre, aber mit neunundzwanzig und dank meines Vermögens hängt meine Zukunft nicht derart von der Meinung anderer Menschen ab.«
Er wartete, doch sie verlangte von ihm keine Versprechen oder Zusicherungen, dass er ihre Familie heraushalten oder zumindest einen Weg finden würde, um sie vor den Folgen zu bewahren.
Er beschloss, genau das zu tun.
Ihr Vertrauen rührte ihn, und am liebsten hätte er sie gefragt, was von ihrer nächtlichen Unterhaltung sie bewogen hatte, ihm die ganze schreckliche Wahrheit zu offenbaren, aber er war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte. Sie durchschaute ihn, erkannte sein wahres Wesen viel leichter als alle anderen – höchstens mit Ausnahme seiner scharfsinnigen Mutter.
»Ich sollte vielleicht erwähnen, dass mein ehemaliger Vorgesetzter Dalziel gründlich nachgeforscht hat, ohne einen konkreten Beweis gefunden zu haben, dass irgendeine hochsensible Information tatsächlich zu den Franzosen gedrungen ist.« Er schnitt eine Grimasse. »Bis mir klarwurde, dass du tatsächlich auf etwas Ungesetzliches gestoßen bist, war ich allerdings halb geneigt zu glauben, die Sache könnte sich am Ende als viel Lärm um nichts erweisen.«
Er fing ihren Blick auf. »Egal, selbst wenn das, was wir vermuten, stimmt und Nicholas verhaftet wird, werden die Einzelheiten
nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Weder stellt man Nicholas vor ein Gericht, noch erfährt halb England von seiner Verhaftung oder seinem Verbrechen, und schon gar nicht von einer möglichen Beteiligung anderer.«
Sie runzelte die Stirn. »Du meinst, die Geschichte wird einfach unter den Teppich gekehrt? Es bliebe«, sie wedelte mit den Händen, »ungesühnt?«
»Nein, nein. Wenn er etwas mit Hochverrat zu tun hat, wird er dafür zahlen.« Er verzog den Mund zu einem seiner kühl bedrohlichen Lächeln. »Es ist nur so, dass niemand davon etwas mitbekommt.«
Sie blinzelte. »Oh.«
Während sie diese Information verarbeitete, ging er im Geiste noch einmal alles durch, was sie ihm erzählt hatte. »Das Erste, was wir tun müssen«, er schaute sie an, »ist es, uns diese Pillendosensammlung einmal anzusehen.«
4
»Ich entschuldige mich. Ich dachte, du hättest übertrieben.«
Der Blick, den Penny ihm zuwarf, war nicht schwer zu deuten. Sie wandte sich wieder der Aufgabe zu, die vielen Pillendosen zu zählen, die aufgereiht in den Regalen des Verstecks hinter einem Wandpaneel im Schlafzimmer des Hausherrn von Wallingham Hall standen.
Sie hatte recht. Das hier war keine Sammlung, die sich leicht erklären ließ. Reihe um Reihe erlesener Beispiele höchster Juwelierskunst glitzerten und schimmerten, lockten. Charles fragte sich, ob ihr klar war, dass es zu viele Dosen waren, um lediglich in einem Jahrzehnt zusammengekommen zu sein. Zu viele, als dass es allein der Lohn für Granvilles Arbeit sein konnte. Er schaute sich um in der sechs mal zwölf Fuß großen Kammer. Welche Geheimnisse mochten sich hinter den dicken Mauern des alten Herrensitzes verbergen?
Sie waren gleich am Vormittag herübergeritten, innerlich gewappnet, Nicholas zur Rede zu stellen, wenn sich eine Begegnung nicht vermeiden ließ. Er war zwar da, aber in der Bibliothek, und da trotz der neuen Besitzverhältnisse Wallingham Hall immer noch als Zuhause von Penny und ihrer Familie galt,
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