Geheimauftrag: Liebe
schaute zurück zu der nun wieder völlig harmlos wirkenden Mauer. »Das bezweifle ich. Diese Schlösser sind jahrelang nicht benutzt worden.«
Sie blickte an der Mauer empor. Es gab ein paar kleine Fenster, die zu nicht genutzten Kammern gehörten, denn die repräsentativen Räume wie das Schlafzimmer ihres verstorbenen Vaters boten eine prachtvollere Aussicht zur Vorderseite des Anwesens. »Ich frage mich, ob Nicholas immer noch dort oben ist.«
Er folgte ihrem Blick. »Das ist egal. Ich glaube, wir sollten ihm einen Besuch abstatten.«
»Hm, ich habe nachgedacht.«
Das war immer gefährlich. Er schluckte die Worte herunter.
»Du hast ihm erzählt, worin deine Mission besteht. Er wollte plötzlich nicht mehr, dass ich mich in der Abbey aufhalte, obwohl ihm das bei seinem letzten Besuch völlig gleichgültig war. Offensichtlich möchte er verhindern, dass ich mich mit dir unterhalte. Vielleicht sollten wir ihn ein wenig provozieren.«
»Wie?«
»Wenn du Nachforschungen zu den Schmugglern entlang dieses Küstenabschnitts anstellst, dann wäre es doch hilfreich, einen Satz ausgezeichneter Landkarten zu haben, oder?«
»Wie du sehr wohl weißt, kenne ich die Gegend hier in- und auswendig. Ich brauche keine Karten.«
Sie lächelte. »Das weiß Nicholas allerdings nicht.«
Er dachte nach. »Keine schlechte Idee. Was genau hast du im Sinn?«
»Da ich jetzt in deinem Haus wohne, erzählen wir ihm, wir hätten uns beim Frühstück über deine Aufgabe unterhalten und da seien mir die detailgenauen Karten aus Papas Bibliothek
eingefallen. Und genau die wollten wir jetzt holen, sagen wir.«
»Ausgezeichnet.« Und das meinte er auch so. Er konnte sich genau vorstellen, wie man es am besten anstellte, nicht nur für ein wenig Unruhe zu sorgen, sondern Nicholas in Panik zu versetzen.
Penny nickte. »Lass uns gehen.« Sie wirbelte auf dem Absatz herum.
»Warte!« Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, sagte er nur: »Spinnweben.«
Sie blinzelte, dann wanderte ihr Blick über ihn. »Oh, das hatte ich gar nicht bemerkt.«
Sie trat zu ihm und pflückte Spinnweben erst von seiner Schulter, von seinem Rücken, von den Ärmeln, von seiner Brust. Es nahm kein Ende. Er spürte ihre Finger überall, wartete geduldig, bis sie sich um ihn herumgearbeitet hatte und wieder vor ihm stand – so dicht, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten, aber sie schaute ihm nicht in die Augen.
Schließlich zupfte sie noch Spinnwebfäden aus seinem Haar, betrachtete ihn prüfend. »So. Du bist fertig.«
»Gut, dann jetzt zu dir.«
Ihre Augen suchten seine. Wurden groß. »Wenn du irgendwo auf mir eine Spinne findest, werde ich dir nie wieder irgendwohin folgen.«
Er lachte und zog einen grauen Flausch aus ihren Haaren, sah ihr flüchtig in die Augen. »Wenn ich eine finden sollte, sage ich es dir einfach nicht.« Langsam umrundete er sie, berührte sie wieder und wieder, klopfte ihre Röcke aus und fuhr mit den Händen über ihr samtenes Reitkostüm. »Was habt ihr Frauen nur immer mit Spinnen. Sie sind doch unendlich viel kleiner als ihr.«
»Sie haben aber acht Beine.«
Eine unbestreitbare Tatsache. Er erwog, sie nach dem Grund
ihrer Furcht zu fragen, unterließ es aber. Klaubte stattdessen klebrige Fäden von ihren Röcken. Einen nach dem anderen. Sie stand stumm und still, konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen, die Hitze zu ignorieren, die überall dort aufzuflammen schien, wo er sie berührte. Unsinn, schalt sie sich. Sie konnte doch unmöglich seine Finger durch all die Lagen von Samt und Seide spüren, und trotzdem … Auch wenn es nur ein leichter Druck war, fühlte sie es überdeutlich, wenn seine Fingerspitzen über den Stoff strichen.
Törichter, liederlicher Quatsch. Selbst für den Fall, dass er sie immer noch begehrte, war das ein Weg, den sie keinesfalls einschlagen wollte. Der Preis wäre hoch, viel zu hoch, als dass sie ihn zu zahlen in Erwägung ziehen sollte. Ihre fehlgeleiteten Empfindungen mussten einfach ignoriert werden. Abgestumpft.
Seine Finger strichen über ihre Schulter, einmal, dann ein zweites Mal. Empfindungen rasten ihren Arm hinab, zogen sich um ihren ohnehin schon engen Brustkorb zusammen.
Auf jeden Fall war klar, dass ihre Sinne bislang kein bisschen abgestumpft waren.
Sie schaute ihn an, beobachtete, wie er ein langes Gespinst von ihrer Schulter pflückte, dessen Ende an dem Samt seitlich über ihrer Brust klebte.
Allein die Vorstellung, er könnte sie dort berühren, dort den Stoff
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