Geheimauftrag: Liebe
wollte im Angesicht dessen, was sein Opfer gewesen war. Kein Wunder, dass diese Jahre ihn geformt hatten, ihm die oberflächliche Maske heruntergerissen hatten.
Sie erkannte es, als er sie anschaute. Seine blauen Augen fanden ihre. Einen Moment sah sie dort schlicht Einsicht und Akzeptanz wie so oft in den vergangenen Jahren.
»Warum hast du nicht geheiratet?«
Die Frage überraschte sie, dann hätte sie fast gelacht. Das war so typisch für ihn, ohne viel Umschweife zum Kern der Sache vorzudringen, dabei alle gesellschaftlichen Zwänge ignorierend.
Ihre Lippen verzogen sich. »Wie dir deine Mutter sicher mitgeteilt hat, hatte ich vier sehr erfolgreiche Saisons, aber keiner der Herren hat meine Zuneigung gewinnen können«, sagte sie im Weitergehen.
»Soweit ich gehört habe, gab es viele Verehrer. Ein kleines Regiment, wenigstens dem Vernehmen nach. Was hat dich an ihnen gestört – sie können ja nicht alle voller Warzen gewesen sein.«
Sie lachte. »Meines Wissens kein einziger.«
»Warum bist du so wählerisch?«
Warum wollte er das wissen? »Du wirst nicht einfach aufgeben, was?«
Er zögerte, antwortete dann: »Nicht dieses Mal.«
Sie blickte ihn wegen des stählernen Untertons erstaunt an, wusste nicht, wie sie ihn einordnen sollte.
Er fing ihren Blick auf, zuckte die Achseln. »Du warst eine der Sachen, bei denen ich mir nicht sicher war, ob sie noch hier sein würden, wenn ich heimkehrte.«
Sie schuldete ihm keine Erklärung, doch andererseits war es auch kein Staatsgeheimnis. Sie schaute nach vorne und ging weiter. Er lief neben ihr, bedrängte sie ausnahmsweise nicht.
Schließlich sagte sie: »Ich habe keinen der Heiratsanträge angenommen, weil keiner der Herren mir das geben konnte, was ich wollte.«
Sie hatte von klein auf gewusst, was sie von einer Ehe erwartete. Wenn es darum ging, war sie nicht bereit, sich mit dem Zweitbesten zufriedenzugeben.
Er drängte sie nicht weiter, und ihr war es nur recht. Das Rätsel, was genau sie wollte, hatten alle ihre Verehrer nicht lösen können, und sie bezweifelte, dass er es besser verstand als die anderen. Nicht, dass es darauf ankäme.
Sie gelangten an das Ende des Walls, blieben beide stehen und betrachteten ein letztes Mal die Aussicht.
Plötzlich spürte sie seine Hand in ihrem Rücken, an ihrer Taille. Kraftvoll, aber gleichzeitig behutsam drehte er sie um, zog sie an sich.
Sie legte ihm die Hände auf die Brust, jedoch nicht abwehrend, hielt nur den Kopf gesenkt, damit er sie nicht küssen konnte.
Seine Arme schlossen sich um sie, nahmen sie nicht gefangen, sondern hielten sie nur. Sie hörte und fühlte sein leises Lachen.
Er legte den Kopf schief, sein Atem streifte ihr Ohr. »Penny …«
Sie verspannte sich, um der Versuchung besser widerstehen zu können, ihn anzuschauen und ihm damit die Gelegenheit zu bieten, auf die er wartete. Ihre Finger schlossen sich um seine Rockaufschläge, als seine Lippen ihre Ohrmuschel zu liebkosen begannen.
Dann tat er das eine, von dem sie verzweifelt gehofft und gebetet hatte, dass er es nicht tun würde. Er wechselte ins Französische, die Sprache seiner Mutter, die Sprache der Liebe, die er vor Jahren in solchen Augenblicken zu benutzen pflegte. Der Himmel mochte ihr beistehen – sie wusste nur zu gut, was jetzt folgte.
» Mon ange …«
So hatte er sie genannt, seinen Engel. Sie hatte die Worte dreizehn Jahre nicht vernommen, und auch jetzt verfehlten sie ihre Wirkung nicht. Mit seinem tiefen Tonfall glitten sie über sie hinweg wie eine Liebkosung, sanken in ihre Seele ein, wärmten sie wie ein inneres Feuer. Untergruben ihren Widerstand.
Seine Hände bewegten sich zu ihrem Rücken, zogen sie näher zu sich heran, bis sie an ihn geschmiegt dastand. Sie hielt die Luft an, begriff erst jetzt, wie nahe sie einander waren und dass er die Wahrheit sprach, als er sie warnte. Wenn es um ihre
Gefühle ging, verfügte sie über keine nennenswerte Verteidigung.
Sie hob den Kopf nur ein kleines Stück, schaute zur Seite und sah in seine Augen. Bei Tageslicht wiesen sie ein klares Dunkelblau auf, in dem sie keine Spur von Triumph erkennen konnte, dafür aber eine Eindringlichkeit, die sie nicht zu verstehen oder einzuordnen vermochte.
Die kleine Bewegung reichte aus. Er lehnte sich näher, ganz langsam. Als sie den Kopf nicht wegzog, berührten seine Lippen ihre, strichen zart darüber, verlockend und überredend.
Ja, er war wirklich gut, sehr, sehr gut. Sie hob die Arme und legte sie ihm um den
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