Geheimauftrag: Liebe
sei nur ein Vorwand, und nicht damit gerechnet, dass sie den Besitz verlassen würden.
Er erwiderte ihren Blick, verzog das Gesicht. »Ich habe den Stallmeister und seine Leute unterrichtet, dass sie ein Auge auf ihn halten sollen. Ich habe vage angedeutet, dass er wegen der letzten Vorkommnisse in Gefahr schweben könnte. Aber nach der Verfassung zu urteilen, in der er sich im Moment befindet, rechne ich nicht damit, dass er das Haus verlassen wird. Und wenn, wird irgendjemand ihn sehen. Norris oder Canter wissen dann schon, was zu tun ist. Falls er beispielsweise ausreitet, wird ihm ein Stallbursche folgen, das ist alles arrangiert.«
Er blickte zum Haus, danach wieder zu ihr. »Gleichgültig, wie Nicholas darin verstrickt ist, er hat Gimby nicht getötet. Ich muss mehr über unsere potenziellen Verdächtigen herausfinden.«
»Die fünf Besucher in der Gegend?«
Er nickte. Gemeinsam setzten sie sich wieder in Bewegung. »Der beste Weg, wertvolle Hinweise aufzuschnappen, ist es, unterwegs zu sein, wo wir andere treffen und uns mit ihnen unterhalten können, besonders mit den Leuten, bei denen die fünf zu Besuch sind. Heute ist Markttag in Lostwithiel.«
Sie lächelte. »Perfekt.«
Sie saßen auf und ritten querfeldein, bis sie zur Straße nach St. Blazey kamen, der sie in den Ort folgten. Ähnlich wie in Fowey mit seinem Hafen und den Kais herrschte auch in Lostwithiel geschäftiges Treiben, nur dass es sich um einen Handelsplatz handelte. Es gab eine große Zunfthalle, und auf dem Marktplatz davor drängte sich eine bunte Menge, ein Durcheinander
aus Landadel und Bauern mit ihren Frauen, Arbeitern und Knechten, die sich alle die Waren anschauten, die an den Ständen feilgeboten wurden.
Sie ließen ihre Pferde im Gasthof King’s Arms an einer der Ecken des Platzes stehen, bevor sie sich unter die Menge mischten und nach bekannten Gesichtern Ausschau hielten.
Als Erstem begegneten sie Mr. Albert Carmichael, der Imogen Cranfield durch die Menschenmassen geleitete, gefolgt von Mrs. Cranfield und ihrer älteren, verheirateten Tochter Harriet Netherby.
Sie blieben stehen und grüßten einander. Harriet war etwa in Pennys Alter; sie kannten einander seit Jahrzehnten, waren aber nie enger befreundet gewesen. Charles unterhielt sich mit Imogen, Albert und Mrs. Cranfield, die ihm allerdings nur knapp zunickte, weil sie seine Lebensweise nie gebilligt hatte, und sich zu Harriet und Penny gesellte.
»So ein Verlust für die Gegend.« Harriet seufzte. »Erst Frederick, dann James. Und jetzt haben wir Charles als Earl.«
Penny hob eine Braue. »Denkst du nicht, dass er es schafft, dieser Rolle gerecht zu werden?«
Harriet warf dem Gegenstand ihrer Diskussion einen Blick aus schmalen Augen zu. »Oh, ich denke, es wird ihm schon gelingen, wenngleich zweifellos auf seine eigene Weise.«
Da sie dem nicht widersprechen konnte, nickte Penny und versuchte das Gespräch zu belauschen, das Charles führte.
»Eigentlich habe ich mich gewundert, dass du die Gelegenheit nicht ergriffen hast, nach London zu gehen – Mama hat erwähnt, dass Elaine und die Mädchen dort sind.«
Penny hörte ihr nur mit halbem Ohr zu, zuckte die Achseln. »Mir hat der Trubel nie wirklich zugesagt.« Charles und Albert unterhielten sich über die Ernte.
»Oh, du solltest nicht die Hoffnung aufgeben, meine Liebe.« Harriet berührte sie mitfühlend am Arm. »Du wirst zwar älter,
aber so viele Frauen sterben im Kindbett – es gibt immer Witwer, die auf der Suche nach einer zweiten Ehefrau sind.«
Penny drehte den Kopf und schaute Harriet in die blassblauen Augen, ließ die gehässige Bemerkung einfach an sich abgleiten. »Wirklich? Wie geht es Netherby?«
Von durchschnittlicher Größe, bestenfalls passablem Aussehen und mit dünnem mausbraunem Haar geschlagen neidete Harriet ihr seit jeher nicht nur ihren höheren gesellschaftlichen Rang, sondern vor allem ihr hübsches Gesicht und ihr blondes, kräftiges Haar. Sie selbst hatte sich in ihrer ersten Saison einen wohlhabenden Gutsbesitzer aus einer nördlichen Grafschaft geangelt, und seitdem es ihr gelungen war, sich einen Vorteil gegenüber Penny zu verschaffen, brüstete sie sich damit bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Über ihren Ehemann zu sprechen, dazu schien sie jedoch keine Lust zu verspüren und wehrte Pennys Nachfrage mit einem schlichten »Gut« ab.
Auch bei der anderen Gruppe war das Gespräch versiegt, und man trennte sich mit einem freundlichen Nicken, dabei den Wunsch
Weitere Kostenlose Bücher