Geheimauftrag Phantom
zerplatzten die wenigen Lampen. Weiter vorn tobte ebenfalls das Chaos. Schreie waren zu hören. Zahlreiche Schülerinnen verließen ihre Zimmer, rannten auf den Gang und gerieten ebenfalls in den Splitterregen.
Das Mordphantom spielte seine volle, grausame Kraft aus. Es sorgte für das Chaos und jagte selbst aus dem Zimmer, um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Madame Sousa spürte nicht einmal Schmerzen, als sie weiterrannte. Sie trat in die Splitter, sie rutschte aus, fiel gegen die Wand. Blut rann aus ihrem roten Haar über das Gesicht. Eine Schülerin erschien. Das Mädchen schrie wie verrückt und streckte der Rektorin die blutbefleckten Hände entgegen.
Madame Sousa schleuderte das Girl zurück. Geduckt hetzte sie weiter. Längst war Glas durch das dünne Leder und Leinen der Schuhe gedrungen und hatte in ihre Füße geschnitten. Auch daran durfte sie sich nicht stören. Sie verbiß sich die Schmerzen, es ging einzig und allein um ihr Leben. Niemals zuvor hatte sie die Länge des Ganges derart intensiv gespürt wie in dieser schrecklichen Nacht.
Endlich erreichte sie das Ende. Sie mußte sich nach links wenden, um über einen Quergang zu dem Eingang zu gelangen, wo auch Sinclair wartete.
Auch hier zerplatzten Scheiben. Zwei kleine Glasvitrinen, in denen die Mädchen ihre Zeichnungen und handwerklichen Arbeiten ausgestellt hatten, wurden förmlich zerblasen.
Madame Sousa drückte sich gegen die Wand, um von den Splittern nicht erneut getroffen zu werden. Sie riß noch die Arme hoch, um das Gesicht zu schützen.
Zahlreiche kleine Splitter huschten durch ihre Haare oder kratzten an den Wänden entlang. Die Frau schaute zurück.
Der Mörder war nicht da. Nur die Schreie der Schülerinnen hallten durch die Gänge des Internates. Weiter, nur weiter.
Sie schaute nach vorn — und erstarrte. Zum Greifen nahe stand das Mordphantom vor ihr. Diesmal sah es nicht so aus, als würde sie der Klinge entwischen…
***
Sprechen konnte Madame Sousa nicht. Selbst ein Luftholen schien ihr unmöglich. Sie stand da, Blut rann in Streifen über ihr Gesicht. Die Augen hielt sie weit offen; Angst ließ den Blick gefrieren. Das Messer besaß tatsächlich eine schwarze Klinge. Nur an den Seiten, wo sie geschliffen war, blinkte sie matt. Das Mordphantom besaß noch immer kein Gesicht. Kapuze, Umhang und Gestalt gingen ineinander über. Es gab einfach keine Merkmale, ein düsterer, aus dem Jenseits entlassener Geist, das war es.
Sie holte pfeifend Luft. Alles in ihr hatte sich verkrampft. Die Bilder der toten Mädchen entstanden vor ihrem geistigen Auge. Genau die Klinge hatte die drei Schülerinnen getötet.
Das Mordphantom schob sich noch etwas näher an sie heran, als suchte es genau die Distanz, die für einen tödlichen Messerstich am besten war. Madame Sousa hatte sich gegen die Wand gepreßt. Aus ihrem offenen Mund rann der Speichel. Auf dem Kinn vermischte er sich mit den Blutstreifen.
»Keine Bewegung!«
Die Stimme schien aus einer anderen Welt zu stammen. Madame Sousa hatte sie gehört, nur konnte sie nicht glauben, daß John Sinclair zu ihr gesprochen hatte.
Sie sah den Mann nicht. Er mußte sich hinter dem Mordphantom aufhalten.
Dort stand ich tatsächlich und hielt mein geweihtes Silberkreuz in der Hand.
Leutnant Tenero hielt sich im Hintergrund. Ich hatte ihn darum gebeten, nicht einzugreifen und alles mir zu überlassen. Das Kreuz hatte den bösen Einfluß genau gespürt. Ein Schatten flog darüber hinweg. Blauschwarz, als hätte der Spuk seine ›Hände‹ im Spiel. Ich sah den Killer nur von hinten, aber er hatte einen Arm ausgestreckt, und aus seiner rechten Paust wuchs die Mordklinge.
Dann griff ich an.
Ich flog auf seinen Kücken zu, hämmerte die Hand mit dem geweihten Silberkreuz hinein, spürte für einen Moment den eisigen Hauch, der über meine Haut glitt, wollte auch die Aktivierungsformel rufen, doch es war nicht mehr nötig.
Das Kreuz zerstörte den Mordschatten!
Er platzte weg, das Messer zerstrahlte. Ich brauchte nichts zu tun und konnte meinen eigenen Schwung nicht mehr bremsen, so daß ich gegen die Schulleiterin fiel und sie beinahe noch zu Boden gerissen hätte. Ich hörte sie sogar lachen, mehr ein Krächzen, und ich rutschte schließlich auf einer großen Scherbe aus.
An der Wand stützte ich mich ab, hörte vor mir das Knirschen, als Glas unter den Tritten der näherkommenden Schülerinnen zerbrach, drehte mich wieder um und sah Leutnant Tenero auf uns zukommen. Dessen Gesicht war
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