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Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)

Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)

Titel: Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Graichen
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Der Meister oder sein Stellvertreter hatte zu fragen, ob es irgendeinen Grund gebe, der gegen die Aufnahme des Kandidaten spräche. Wenn niemand Widerspruch erhob, wurde der Neuling von zweien oder dreien der ältesten und erfahrensten Brüder in einen Raum neben dem Kapitel geführt. Dort wurde er befragt, ob er tatsächlich bereit sei, sich dem Orden zu unterwerfen. Wenn er bejahte, wurde er nach seinem Vorleben befragt: Hatte er eine Frau, oder war er einer Frau versprochen? Hatte er bereits in einem anderen Orden ein Gelübde abgelegt? Hatte er unbezahlte Schulden? War er gesund und hatte keine versteckten Krankheiten? War er persönlich frei oder jemandem unterstellt?
    Wenn der Kandidat die Fragen verneinte, holten sich die Brüder vom Kapitel die Erlaubnis, ihn zu unterweisen, wie er um die Aufnahme in den Orden zu bitten habe, und vor das Kapitel zu bringen. Dort kniete er vor dem Leiter des Kapitels nieder und bat um Aufnahme. Der führende Bruder hob daraufhin zunächst die Unterschiede zwischen der glänzenden äußeren Erscheinung, der «Schale» . («escorche»), des Ordens und der Härte des Lebens in der Gemeinschaft hervor. Auch wenn der Orden seine Mitglieder mit Rüstungen, guten Pferden und Verpflegung ausstatte, müssten siedoch allen Befehlen der Oberen gehorchen. Sie müssten wachen, wenn sie schlafen wollten, und sich zur Ruhe legen, wenn sie wach sein wollten; säßen sie zum Essen am Tisch, würden sie zu anderen Aufgaben gerufen. Der Kandidat wurde deshalb gefragt, ob er wirklich bereit sei, sich alledem zu unterwerfen. Wenn er bejahte, wurde er noch einmal erinnert, dass er sich nicht für weltliche Güter und Ziele, sondern für die Abkehr von der Welt, Dienst an Gott und ein Leben in Armut und Buße dem Orden anschließe. Es folgten gemeinsame Gebete und eine weitere Befragung; und nachdem der Neuling noch einmal das Kapitel verlassen musste und dieses wiederum nach Gründen für eine Nichtaufnahme befragt worden war, wiederholte sich die Prozedur, mit Verweis auf die harten Strafen bei falschen Aussagen.
    Schließlich musste sich der Kandidat bei Gott und der Jungfrau Maria den monastischen Gelübden des Gehorsams, der Keuschheit und der persönlichen Armut, den Regeln und Gewohnheiten der Templer und dem Schutz des Heiligen Landes und der Christenheit insgesamt verpflichten. Der Schlussteil der Zeremonie begann mit der Einkleidung in den Ordensmantel durch den Leiter des Kapitels sowie mit einem Psalmentext, den ein Priesterbruder vortrug, und gemeinsamen Gebeten. Der Leiter sollte danach den neuen Bruder aufstehen lassen und ihn auf den Mund küssen; und auch die Priesterbrüder küssten ihn. Dann wurde der Neuling formal zum Bruder erklärt und mit den Gründen vertraut gemacht, die zum Ausschluss aus dem Orden führen konnten. Obwohl man entgegen der lateinischen Vorlage in der französischen Fassung auf ein Noviziat verzichtet hatte, sollte es doch eine Probezeit der aufgenommenen Brüder geben.
    Von den im Templerprozess inkriminierten Ritualen findet sich dabei nichts, mit Ausnahme des auch bei feudalen Zeremonien üblichen Bruderkusses. Es ließe sich zwar argumentieren, dass es homosexuelle Handlungen in allen geistlichen Korporationen gegeben hat, aber die Vorwürfe der Inquisitoren im Templerprozess zielten nicht auf Einzelfälle, die im Übrigen bei den Templern nachweislichhart bestraft wurden. Die Ermittler unterstellten nicht nur gleichgeschlechtliche Akte bei der Aufnahme, sondern gingen davon aus, dass sich die Brüder verpflichten mussten, einander dauerhaft sexuell zur Verfügung zu stehen. Aber während zahlreiche Templer unter der Folter die Blasphemien der Leugnung Christi und Schändung des Kreuzes zugaben, bekannten sich nur wenige der inhaftierten Brüder zur Teilnahme an homosexuellen Handlungen oder konkretisierten gar ihr Geständnis. So spricht vieles dafür, dass die Vorwürfe ritueller und kontinuierlicher Homosexualität ebenso der inquisitorischen Phantasie entsprangen wie die Vorstellung, die Templer hätten Götzenbilder angebetet. Auch wenn normative Texte nicht vollständig die Wirklichkeit spiegeln müssen, dürfte die Aufnahme neuer Brüder bis in die Schlussphase der Ordensgeschichte im Wesentlichen der Regel gefolgt sein.

Öffentliche Kritik und Prozess
    Ungeachtet des Auslaufens der Schenkungen und der im 13. Jahrhundert kontinuierlich abnehmenden Kreuzzugsbegeisterung, blieben die Ritterorden ihrer meist adligen Klientel und den angeschlossenen

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