Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
wobei wir uns noch heute fragen, wieso die einen solchen Hype auslösen konnten. Einen guten Eindruck vom Aussehen einer Mithras-Grotte bekommt aber der Besucher in Saarbrücken, unterhalb des Saarländischen Rundfunks. Die künstlich vergrößerte Naturhöhle in Buntsandstein am Westhang des Halbergs (= Höhlenberg) wird im Volksmund seit jeher «Heidenkapelle» genannt. Eine in den Fels gehauene Treppe führte in den Tempel. Links neben der Treppe befand sich eine mannstiefe, fünf bis sechs Meter große Grube mit Abflussrinnefür die rituell vorgeschriebenen Waschungen. Im ausgehenden 4. Jahrhundert wurde die Kultausstattung von frühchristlichen Bilderstürmern rigoros zerschlagen. Nur noch Reste des Relief- und Figurenschmucks konnten sichergestellt werden. Nach der Zerstörung wurden später eine christliche Wallfahrtskapelle und eine Eremitenklause eingebaut. Kein Einzelfall, das geschah systematisch auf heidnischen Kultplätzen. Auch in Köln wurde der Dom auf einem zerstörten Mithras-Heiligtum errichtet: Südlich des Domchores konnte ein Mithräum komplett ausgegraben werden. Der Veteran Tiberius Claudius Romanius stiftete einen Altar dem unbesiegten Gott Mithras («Deo Invicto Mithrae Soli sacrum»). Wie üblich mit der Floskel gern und nach Verdienst. Der persische Erlösungsgott wird hier wie so oft dem Sonnengott Sol gleichgesetzt.
Den Zeitpunkt der Zerstörungen können Archäologen anhand der abbrechenden Weiheinschriften und durch die Datierung von Münzen bestimmen. Fast keine Ausgrabung hat bisher Beweise für das Weiterbestehen eines Mithräums nach dem Jahr 400 geliefert. Ob in Frankfurt oder Budapest, in Trier oder dem bayrischen Pfaffenhofen: Alle Münzserien reißen Ende des 4. Jahrhunderts ab. Am längsten hielt der Kult sich wohl in Österreich: In Linz auf dem heutigen Tummelplatz wurde ein heiliger Bezirk mit einem spätantiken Mithräum entdeckt, das bis ins 5. Jahrhundert hinein existierte. Im Stadtmuseum ist es mit Licht- und Toneffekten nachgebaut.
Eine Weltreligion geriet in Vergessenheit. In kurzer Zeit und ohne Widerstand. Denn den Mithras-Kult sahen die christlichen Bischöfe als Konkurrenten um das Seelenheil ihrer Schäfchen an, den es zu vernichten galt.
Die orientalischen Kulte, die Mysterien (griechisch «myein» = die Augen schließen), waren Erlösungsreligionen. Sie versprachen den Eingeweihten, den Mysten, ein glückliches, sorgenfreies Leben im Jenseits. Schon zu Lebzeiten feierten die Anhänger in geheimen Liturgien gemeinsam mit dem Gott, der sie nie alleinlassen würde, Kultmahle in höhlenartigen Tempeln unter der Erde. In den verborgenen Zeremonien und sinnlich erregenden Initiationsriten erfuhrensie bereits ihren eigenen Tod und ihre Wiedergeburt, ihre glückhafte Erlösung. Der Tod konnte nicht mehr schrecken. Archäologische Ausgrabungen weisen auf Feiern hin, in denen bei magischen Lichteffekten gut und gerne gegessen, getrunken, gesungen und getanzt wurde. Bis zum Rausch, dem man vermutlich mit diversen Mittelchen nachhalf. Jede Mithras-Grotte war gleichzeitig ein Speisesaal. Die Abfallgruben belegen, dass das heilige Mahl reichlich war, bedeutend reichhaltiger als das normale Alltagsessen, keineswegs eine Reduktion auf bloße Symbolik wie bei den Christen. Das allein bringt ja schon ein Wonnegefühl in den exklusiven Männerclub. Denn Frauen waren ausgeschlossen.
Mit Magie und Zauber ist alles leichter – auch der Tod. Deswegen kam der Mithras-Kult besonders bei den Soldaten an, die ihn ebenso wie die Händler im ganzen Imperium Romanum verbreiteten. Vor allem entlang des Limes, Roms Grenzwall gegen die Barbaren, finden wir seine Spuren. Doch nicht nur dort. Kaufleute, Handwerker,freigelassene Sklaven – jeder konnte Mitglied der Gemeinde werden, die sich abgeschottet von der Außenwelt in ihren Heiligtümern traf. Überall ließen sich Männer in nächtlichen Riten in die «geheimen Lehren» einweihen. Die Himmelfahrt war den Eingeweihten, den Mysten, gewiss, eine Hölle gibt es nicht. Cicero schreibt zu den Mysterienkulten: «Wir (…) haben die Möglichkeit nicht nur eines Lebens in Freude, sondern auch eines Sterbens in der Hoffnung auf ein besseres Leben bekommen.» Ende des 1. Jahrhunderts hatte sich der Kult des Lichtgottes bereits im gesamten Römischen Reich ausgebreitet.
Die Mithras-Höhle am Westhang des Halbergs bei Saarbrücken. Im ausgehenden 4. Jahrhundert wird das Heiligtum durch christliche Bilderstürmer zerstört, am selben Ort
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