Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
Wahrscheinlich wurde sie im späten 1. Jahrhundert in Rom und Ostia gegründet, wo es zahllose Mithräen gab. Allein in Rom werden 800 Mithräen vermutet, in Ostia dreißig. Ein System aus einem Guss. Das spricht für einen Religionsstifter, meint der Archäologe Andreas Hensen, Direktor des Museums in Ladenburg, der auch schon von Freimaurerlogen zum Mithras-Vortrag eingeladen wurde. Doch wer der Gründer gewesen sein könnte, das bleibt im Dunkeln.
Beide Religionen befriedigten die religiösen Sehnsüchte der Zeit durch die tröstliche Verheißung des «Himmels». Die Mysterienkulte unterschieden sich wesentlich «von dem kühlen und staatsbezogenenFormalismus und Ritualismus der römischen Religion» . (Heinz Günther Horn). Keiner der traditionellen Götter, weder die griechischen noch die römischen, kümmerte sich um das Glück nach dem Tod. Man konnte sie nur um das Wohlergehen auf Erden bitten und dafür entsprechend der Größe der Bitte Weihegaben opfern. Aber im Jenseits, da konnte man im modrigen Dunkel vergehen, und kein Gott half. Die orientalischen Gottheiten dagegen hatten wie Menschen gelitten, manche von ihnen waren wie Menschen gestorben, sie kannten die menschlichen Sorgen und Nöte. Und je unsicherer die Verhältnisse im Reich wurden, je stärker sich der Einzelne existenziell bedroht fühlte und Angst vor einer ungewissen Zukunft hatte, desto mehr Anhänger fanden sich in Gemeinden zusammen, in denen sie sich geborgen fühlten. In der gegen die Umwelt abgekapselten Solidargemeinschaft erlebten sie Identität und Heimatgefühl. Emotional behütet in einer Kultgemeinschaft, in der sie nach bestandenen Mutproben und Reinigungsritualen aufgenommen waren – wie heute die Freimaurer –, in der man Geheimnisse und Mysterien mit seiner auserwählten Gruppe teilte und so zu einer Elite wurde: die Anziehungskraft aller Geheimbünde. Ihre Attraktion gibt auch Auskunft über die Zeitläufte, in denen sie existieren. Der Anreiz ist umso größer in Zeiten, in denen sich der Einzelne entwurzelt und vereinsamt fühlt, nach Wurzeln und nach einer Heimat sucht.
Man war in der Hauptstadt orientalischen Religionen wie den syrischen Kulten gegenüber aufgeschlossen. Rom war vor 2000 Jahren ein großer lebendiger Marktplatz von Religionen und antiken Mysterienkulten. Es wimmelte von Heil versprechenden Predigern und Philosophen, von Angeboten neuer Kulte, die im- und exportiert wurden. Christoph Markschies vergleicht diesen «bunten religiösen Markt der Möglichkeiten», diese «Hexenküche von Religionen» mit Amerika heute. Wer dort die Straßen entlangfährt, kennt die Werbeschilder für diverse Erlösungsreligionen, Kulte, Kirchen.
Die Zeiten sind vergleichbar: In der Zeit der römischen Soldatenkaiser begannen Zweifel, Unruhen, Bürgerkriege. Zu Zeiten von Revolutionen und Aufklärung blühten die Geheimbünde wie Freimaurerund Illuminaten. Heute schwächelt der Kirchenglaube, und die esoterischen Angebote boomen.
Auch das Christentum kam aus dem Osten nach Rom. Nach dem Tod Jesu breitete es sich mit einer ungeheuren Energie aus, von einer kleinen Stadt am Rande des Imperiums bis an die Enden der damals bekannten Welt. Den Missionaren gelang es unglaublich schnell, Menschen zu werben, so rasant, dass es noch heute die Wissenschaftler in Erstaunen versetzt. Und die Toleranz ihnen gegenüber war größer, als die christliche Propaganda es später darstellt. Selbst unter Mithras-Anhänger Kaiser Commodus war es möglich, offen Christ zu sein. Markschies: «Unsere Vorstellung permanenter Christenverfolgung trifft nicht wirklich zu.» Auf einem gut ausgebauten Straßennetz entwickelten sich die christlichen Gemeinden von Jerusalem aus durch Kaufleute, Beamte und Legionäre weiter. Und das waren auch die Träger des Mithras-Kultes, der sich parallel im Imperium verbreitete, der «klassische Fall eines kaiserzeitlichen Modekults».
Im 3. und 4. Jahrhundert, in Zeiten von Bürgerkrieg und Herrschaftschaos, gab es Tendenzen, die verwirrende Vielfalt der Götter auf einen zurückzuführen. Eines der Angebote auf dem Markt war der Sonnenkult, den man sich als einen Gott vorstellen konnte unter verschiedenen Namen wie Christus oder Mithras. Und es gelingt dem Christentum und nicht dem Mithras-Kult oder dem Judentum, sich allmählich durchzusetzen. Eine Erklärung könnte nach Markschies sein, dass das Christentum keine klare monotheistische Struktur hat. Für den antiken Menschen gab es neben der Christusfigur
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