Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
leichter zu ertragen, denn man wurde nicht alleingelassen nach dem Sterben. Und eine Hölle gab es nicht. Zumindest nicht für die Mysten, die Eingeweihten. Das setzte voraus, dass die Kultgeheimnisse verschwiegen wurden. Der Myste wurde durch einen Eid («sacramentum») dazu verpflichtet. Er musste schwören, die heiligen Geheimnisse (Mysterien), die ihm mitgeteilt werden, zu bewahren und geheim zu halten. Bricht er den Eid, verrät er die geheimen Riten, soll sogar die Todesstrafe gedroht haben. Ob es wirklich dazu gekommen ist, können die Religionswissenschaftler aufgrund der spärlichen Überlieferungen jedoch nicht verifizieren. Auf jeden Fall folgte Verbannung und Ausschluss aus der Kultgemeinschaft – und damit der Verlust aller Glückseligkeit im Jenseits, der Erlösung, die dem Tod seinen Schrecken nimmt.
Mit Mithras gelingt es, den Tod zu überwinden. Der Gott jagt den Stier und tötet ihn. Aus dem Tod, dem Stieropfer, entsteht das neue Leben. In den Kultbildern sieht man, wie Mithras auf dem Rücken des besiegten Stieres sitzt und ihm einen Dolch in die Halsschlagader stößt. Aus dem Schweif wachsen Ähren, und aus dem Blut sprießen Trauben. Die Erde wird befruchtet, und die Vegetation entsteht. Mithras ist der Ernährer und der Garant für ein sorgenfreiesJenseits. Durch Meditation gelangte man zur mystischen Vereinigung mit dem Gott.
Um die Mysten in die entsprechende spirituelle Versenkung zu bringen, gab es allerlei Spuk und Zauber. Mithras-Experte Manfred Clauss beschreibt es so: «Versetzen wir uns in ein Mithräum, in eine Kulthöhle, die den Kosmos symbolisiert, ja, der Kosmos ist. Langsam und duftend verglühen Pinienzapfen mit rotem Schein. Während es im Raum dunkel wird, beginnt die Strahlenkrone des Sonnengottes allmählich zu leuchten: Mithras kommt zu seiner Gemeinde.» Dazu gehörte als zentrales Element das gemeinsame Kultmahl, in dem man mit der Gottheit kommunizierte. Der gesamte Kultraum war als Speisesaal gebaut. Man lag auf den erhöhten Seitenbänken, an der Kopfseite als Gastgeber das Bild Mithras’. Clauss: «Wir sagen: als Bild. Für den Mysten war es die Gottheit selbst.»
Im römischen Lopodunum (heute Ladenburg bei Heidelberg) sind auf einem großformatigen Relief Mithras und Sol in freundschaftlicher Umarmung beim gemeinsamen Opferbankett dargestellt. Beide lagern auf einer Kline, die mit dem abgezogenen Fell des getöteten Stieres bedeckt ist. Die heiteren Götter prosten sich mit einem Trinkhorn zu. Weiheinschriften an den «unbesiegten Gott Sol Mithras» deuten darauf, dass beide Lichtgottheiten zu einer verschmelzen konnten. Das einzigartige – auch farblich rekonstruierte – Relief ist im Lobdengaumuseum von Ladenburg zu besichtigen, im «Mithras-Keller».
Das Bild, die Imitation bedeutete in der Liturgie für den antiken Menschen dasselbe wie die Wirklichkeit. Die Himmelfahrt der Seele wurde in den geheimen Mysterien von den Anhängern nachvollzogen. Erzählungen, heilige Schauspiele, wilde Musik, ekstatische Tänze, Tiermaskeraden, das «Brüllen wie ein Löwe», dann andächtiges Schweigen, Auftreten des Priesters, der Duft der Opferschalen gehörten zum Kontakt mit der Gottheit – von Angesicht zu Angesicht. Alle Sinne waren angesprochen, gespannt, emotional aufgewühlt. Der Sonnengott ist in Gestalt des Mithras auf die Erde gekommen, der Eingeweihte wird errettet.
Im Jenseits erwarten den Mysten ewige Freuden. Von einem Grabmal in Rom kennen wir die zu erwartenden Genüsse. Nach der Himmelfahrt geleitet ein guter Engel den Verstorbenen zu einem fröhlichen Gastmahl mit Wein und Würfelspiel. So konnte sich jeder seine eigenen, individuellen Freuden mehr oder weniger handfest ausmalen, «hinabschauend auf die uneingeweihte Masse hier unten, die in Schlamm und Nebel einander tritt und drängt aus Furcht vor dem Tod und, weil sie dem Guten im Jenseits nicht glaubt, an das Elend hier unten gefesselt ist» . (Plutarch).
Die Erretteten, die Eingeweihten, wer war das? Welche archäologischen Zeugnisse haben wir von den Anhängern?
Ex oriente lux
Das römische Imperium war auch ein Imperium der Götter. Mit dem 1. und 2. Jahrhundert drangen orientalische Gottheiten in das römische Pantheon ein. Und mit den Römern – vor allem Soldaten und Händlern – kamen Christus und Mithras nach Germanien. In den Mithras-Mysterien war die orientalische Gottheit zu einem römischen Gott geworden, eine aus ungefähren persischen Bausteinen neu konstruierte Religion.
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