Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
SS-Offizier ist Gelli hervorragend in der rechten Szene vernetzt. Dementsprechend erfolgreich gelingt es ihm, Gamberinis Wünsche zu erfüllen. Gelli steigt rasch in den Freimaurer-Graden auf und wird zum Vorsitzenden der Loge P2 ernannt. Er macht Propaganda Due zu einem politisch-kriminellen Hypozentrum Italiens. Die Beben, die von ihr ausgehen, lassen das ganze Land erzittern. Und die Nachbeben dauern bis heute an.
Gelli erkennt sofort, wie hervorragend Propaganda Due geeignet ist, seine kriminellen und politischen Ziele zu erreichen. P2 ist eine «gedeckte Loge», deren Mitglieder nur ihm und der Führung der GOI bekannt sind. Das macht es leicht, sie zu missbrauchen. Nach heftiger Kritik an Gellis Amtsführung seitens vieler italienischer Freimaurer wird zwar beschlossen, P2 in eine normale Loge umzuwandeln.Doch mittels einer Intrige innerhalb der italienischen Freimaurerei schafft es Gelli 1975 nicht nur, viele ihm bisher kritisch gegenüberstehende Freimaurer für sich einzunehmen, sondern auch seinen Gegenspieler, den Großmeister des GOI, Lino Salvini, unter Kontrolle zu bekommen. 1976 gelingt es Gelli dann, die Loge mittels einer Suspendierung gewissermaßen unsichtbar zu machen. Die Großlogen-Führung akzeptiert dieses Vorgehen, auch wenn es gegen die Statuten des GOI verstößt. Der Grund ist ein handfester Freimaurer-Skandal: Ein hohes Mitglied der P2 ist wegen Drogenhandels und Entführung verhaftet worden. Man hofft, mit der Suspendierung die Diskussion um die P2 – und die Freimaurerei generell – beruhigen zu können.
Doch wenn Gellis Gegner glauben, dass die P2 aufgelöst und ihr dubioser Vorsitzender damit unschädlich gemacht ist, erliegen sie einer geschickten Täuschung. Die P2 ist auf Betreiben Gellis nur scheinbar schlafen gelegt worden. Tatsächlich hat die GOI-Führung Gellis Vorsitz auf unbestimmte Zeit verlängert, und er darf neue Mitglieder ohne Beteiligung von Logenbrüdern initiieren. Das heißt: Gelli ist nun definitiv Alleinherrscher über Propaganda Due, sie tut, was ihr Herr befiehlt. Sie dient allein der Verwirklichung seiner Pläne, der Ausweitung der Macht und der Rekrutierung neuer Mitglieder, die seine politischen und wirtschaftlichen Interessen teilen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt stellt die P2 ein Kartell politischer Intrige und Gewalt dar, sodass man im Grunde nicht mehr von einer Freimaurerloge sprechen kann.
P2 wird zu einer Organisation der radikalen Antikommunisten Italiens. Es gibt kein politisches oder juristisches Radar, das sie erfassen kann. Diese Art politischer Organisation ist exakt auf die Verhältnisse Italiens zugeschnitten, vollkommen neu – und entsprechend attraktiv. Die Zahl ihrer Mitglieder steigt binnen weniger Jahre von 14 auf 2500. Licio Gelli lässt seine Verbindungen spielen, die alten Seilschaften aus der Zeit Mussolinis. In Italien sind diese im Gegensatz zu Deutschland noch weitgehend intakt. Kriegsverbrechertribunale wie die «Nürnberger Prozesse» hat es nie gegeben. VieleFaschisten haben sich nur ein anderes Parteimäntelchen angezogen – wenn überhaupt. Und wer die alten Schwarzhemden kennt, erfährt schnell, wer unter den Neofaschisten und Nationalisten brauchbar ist. Kontakte in die rechte Terrorszene ergeben sich da von selbst.
Propaganda Due residiert nun nicht mehr im Palazzo Giustiniani, dem damaligen Sitz der GOI, sondern in der Suite Nr. 127 des Nobelhotels Exzelsior in Rom. Die luxuriös eingerichteten Zimmer kosten Licio Gelli umgerechnet rund 25 000 Euro im Monat. Das sind «Peanuts» für ihn. In den Räumen geht es zu wie in einem Taubenschlag. Damals ist jeder Tag Licio Gellis laut einem Bericht der Wochenzeitschrift «Die Zeit» streng durchgetaktet: Um sechs Uhr morgens rapportiert ihm ein Journalist der italienischen Nachrichtenagentur ANSA am Telefon alle wichtigen Zeitungsmeldungen. Es folgen Dutzende Telefonate und Termine, die nie länger als 20 Minuten dauern. Ein Leben wie das eines Regierungspräsidenten – oder eines Diktators. Wer bei Gelli vorgelassen wird, huldigt dem Logenmeister unterwürfig, erinnert sich Gellis Sekretärin und Geliebte Nara Lazzarini in der «Zeit»: «Sie nannten ihn den heiligen Licio.»
Gellis Wort ist Gesetz, sein Wille geschieht. Wer etwas werden will im Italien jener Tage, bittet Gelli um eine Audienz. Seine Vermittlungsarbeit kostet natürlich etwas, seine Informationen auch. Aber er bekommt, was er will. Gelli scheffelt Unmengen Geld. Er kennt, wer in Italien
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