Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)

Macht und Ansehen hat. Viele davon sind in seiner Loge. Und er nimmt nicht jeden: «Wir akzeptierten nur Leute, die eine hohe Funktion hatten: Minister, Bankenchefs, den Kommandanten der Finanzpolizei und der Carabinieri. Sie alle waren vereint in der Freimaurerloge P2», sagt Licio Gelli 2010 in einem Fernsehinterview. Er sieht in P2 einen Orden antikommunistischer Kreuzritter: «Wir waren eine Gemeinschaft von Glaubensgenossen. Wir konnten keine Ungläubigen zulassen. Wir wollten den Kommunismus auf seinem Weg aufhalten, den Kommunismus eliminieren, den Kommunismus bekämpfen.»

Der Stammgast
    Nie hat eine Loge so viel Macht besessen und diese so brutal ausgenutzt wie Propaganda Due. Nie ist eine Loge dafür tiefer gesunken. Doch was verleiht Licio Gelli so viel Macht, dass sie ihm gehorcht? Er verfügt über eine Waffe von ungeheurer Schlagkraft: Erpressungsmaterial in Form eines 157   000 Dokumente umfassenden Archivs des militärischen Geheimdienstes Italiens, SIFAR. Offiziell gilt es als vernichtet. Der Schweizer Historiker Daniele Ganser beschreibt, wie es dennoch in die Hände von Propaganda Due gelangt: «1967 wird Allavena (General Giovanni Allavena, 1966 entlassener SIFAR-Chef ) Mitglied der geheimen antikommunistischen Freimauer-Loge Propaganda Due (…). Ihrem Vorsitzenden Licio Gelli überreichte er eine Kopie des Archivs als ein sehr spezielles Geschenk.» Es ist das Werk von 7000 Agenten, die über Jahre hinweg größtenteils illegal bedeutende Persönlichkeiten Italiens aus Kirche, Staat und Gesellschaft auskundschaften, ihre Familienmitglieder und Freunde inklusive. Die SIFAR-Papiere sind eine Bibel des Schmutzes und bilden die perfekte Munition für die Schlacht, die Propaganda Due schlagen will. Es ermöglicht, «Italien von innen her heimlich zu kontrollieren», analysiert Daniele Ganser die Bedeutung des Archivs.
    SIFAR wird 1965 aufgelöst, weil man Putschpläne gegen die italienische Regierung entdeckt. Propaganda Due will vollenden, was die SIFAR-Obersten nicht erreichten. Sie tut es verschlagener, vorsichtiger, effektiver – und sie weiß den mächtigsten Verbündeten auf ihrer Seite, den ein Geheimbund haben kann: die CIA, den Auslandsgeheimdienst der USA. Die Untersuchungskommission, deren Ergebnisse nach drei Jahren Recherche 180 Aktenordner füllen, unterlässt es wissentlich, die Rolle des transatlantischen Partners unter die Lupe zu nehmen, schreibt Regine Igel. Sie zitiert in ihrem Buch «Terrorjahre» ein Mitglied der Untersuchungskommission mit den Worten: «Man muss (…) sagen, dass wir die internationale Leitung der Loge, also die tieferen Schichten, nicht einmal berührt haben.Die Vorsitzende (Christdemokratin Tina Anselmi) selbst hat das Bild einer unteren und einer oberen Pyramide entworfen. (…) Vom politischen, übergeordneten Teil aber haben wir nichts erfahren können. Ganz sicher wäre in der Kommission auch sofort eine Krise ausgebrochen.»
    Die Verbindung zwischen P2 und den Machern der US-Außenpolitik ist so eng, dass Gelli Stammgast in Washington ist und nicht nur zur Amtseinführung Reagans eingeladen wird, weiß P 2-Kenner Daniele Ganser. «Gellis Kontakte in die USA blieben während des gesamten Kalten Krieges hervorragend. Als Zeichen des Vertrauens und des Respekts wurde Gelli 1974 zu den Inaugurations-Feiern von Gerald Ford eingeladen und 1977 zu denen von Jimmy Carter.» Vor der Inauguration von Ronald Reagan hält sich Gelli angeblich sogar einige Tage auf dem Familiensitz des ehemaligen CIA-Direktors George H. W. Bush auf, der unter Reagan Außenminister wird.

Die geheime Armee
    Gelli macht die P2 zu einem Panzer der Antikommunisten, zu seiner persönlichen Festung. Die Mitglieder sind Verbindungsmänner in alle Entscheidungszentren des italienischen Staates. Es sind Schläfer, die Gelli nach Belieben aktiviert, damit sie seine Direktiven ausführen, um das Netz der P2 über Italien auszubreiten. Doch wer sind seine Söldner?
    In der Zeit des Kalten Krieges gehört es zu den Überzeugungen der USA und ihrer Bündnispartner, dass der Warschauer Pakt unter Führung der Sowjetunion jede Schwäche des Westens ausnutzt, um seine Macht in Europa zu erweitern. In den ersten Nachkriegsjahren ist man fest davon überzeugt, dass eine militärische Invasion der kommunistischen Staaten unmittelbar bevorsteht. Der amerikanische Auslandsgeheimdienst ergreift darum Maßnahmen für die Zeit nach dem Tag   X. Man ruft eine Organisation ins Leben, die so geheim